Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Noch zweimal singen

Die U 21 kämpft gegen England um den Einzug ins EM-Finale – und hat ein besonderes Ritual

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TYCHY (SID/dpa) - Läuft alles nach Plan, dann wird es am Dienstag nach dem Spiel gegen England (18 Uhr/ ARD) in der Kabine der deutschen U21-Fußballer wieder laut. Weil der Nachwuchs dann den Einzug ins Finale der Europameis­terschaft feiert, vor allem aber, weil sie wieder ein Lied, ihr Lied, anstimmen. Nach jedem Spiel stimmt Keeper Julian Pollersbec­k ein Lied an. Welches genau, will keiner aus der Mannschaft sagen, als ob das Ritual dann ein Stück seiner Magie verlieren würde. „Das ist ein internes Ding und das will ich auch nicht verraten“, sagte Vorsänger Pollersbec­k, „es ist auf jeden Fall im Dialekt.“

Trainer Stefan Kuntz erinnert sich angesproch­en auf das Kabinenlie­d an gemütliche Wandertage mit seinen Großeltern. „Da ist auch immer viel gesungen worden. Es ist, glaube ich, etwas Geselliges, was heutzutage nicht mehr üblich ist“, sagte der 54Jährige, der immerhin verriet: Es gibt unterschie­dliche Rollen bei dem Song und jeder kann das Lied schnell lernen. „Das ist eine Form von Teamgedank­e und Zusammenge­hörigkeits­gefühl und ein Ausdruck von Freude“, sagte Kuntz.

Den kompletten Text des Siegliedes kennt kaum jemand, zuletzt machte sogar Horst Hrubesch mit. Der DFB-Sportdirek­tor also, der 2009 als Trainer mit der U21 den bislang einzigen EM-Titel holte und in dessen Fußstapfen Kuntz nun treten will. Zwei Siege fehlen dazu noch.

„Ab jetzt haben die Spiele Pokalchara­kter. Es heißt Hop oder Top“, sagt Kuntz. Die Zitterpart­ie gegen Italien am Samstag (0:1) ist abgehakt, zumindest sagen das alle. „Ab jetzt ist alles egal, was war. Ab jetzt beginnt eine neue Zeitrechnu­ng. Und wenn der Gegner ein Tor schießt, schießen wir eben zwei“, sagt der künftige HSV-Torhüter Pollersbec­k, derzeit noch in Kaiserslau­tern unter Vertrag.

Wie die robusten Engländer zu knacken sind, zeigte die Kuntz-Elf erst vor drei Monaten: Am 24. März gewann Deutschlan­d einen Test in Wiesbaden mit 1:0, Torschütze war Nadiem Amiri. „Ich gehe nicht ängstlich in die Begegnung. Respekt ja, aber Angst habe ich im Fußball nie“, sagt Kapitän Maximilian Arnold vom Vfl Wolfsburg.

Fünf Jahre in England beim FC Arsenal machen Angreifer Serge Gnabry zum Experten für dieses Halbfinale. Der nach einem Jahr bei Werder Bremen nun zum FC Bayern München wechselnde Gnabry hat den englischen Fußball so intensiv wie kein ein anderer im deutschen U21Nationa­lteam erlebt, nun soll er Kuntz wertvolle Hinweise geben. „Wir werden uns auf jeden Fall austausche­n“, kündigte der Coach an.

Als Nachteil könnte sich für die deutsche Mannschaft aber der enge Spielplan erweisen. Die Engländer hatten zwei Tage mehr Zeit zur Regenerati­on, Kuntz wird daher seine Startelf möglicherw­eise erstmals ändern. Wechsel könnten „wegen des Gegners“Sinn machen, aber auch, „weil wir die Möglichkei­t sehen, dass wir selbst besser werden“. Auf sein Startelf-Debüt hoffen darf Maximilian Philipp, der kurz vor der EM für 20 Millionen Euro vom SC Freiburg zu Borussia Dortmund gewechselt ist.

Gewarnt ist die deutsche Auswahl ohnehin. „England ist eine schwierige Mannschaft, auch ein Mitfavorit bei dem Turnier“, sagt Max Meyer von Schalke 04. Zumal Englands Junioren-Fußball gerade eine Art Sommermärc­hen erlebt. Am 11. Juni wurde die U20 der „Young Lions“in Südkorea Weltmeiste­r, für das Mutterland des Fußballs war es der erste WM-Titel seit 1966. Im Mai war bereits die U17 ins EM-Finale eingezogen und verlor dort erst im Elfmetersc­hießen gegen Spanien. „Insgesamt haben die Engländer sehr schnelle Spieler, bisher glänzten sie vor allem durch ihre Effektivit­ät. Auch das wird im Halbfinale auf uns zukommen. Wir müssen vermeiden, dass wir ihnen viele Chancen geben“, sagt Kuntz. Verwertet das DFB-Team dann auch noch die eigenen Gelegenhei­ten, dürfte einem weiteren Auftritt der deutschen Sängerknab­en nichts mehr im Wege stehen.

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FOTO: DPA Nein, auch wenn es so aussieht, Serge Gnabry (Nr.11), Nadiem Amiri (18) und Davie Selke ahmen hier nicht die Bremer Stadtmusik­anten nach. Doch die U-21-Spieler singen gerne.

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