Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Insel der Gegensätze

Partystimm­ung und Einsamkeit – auf Norderney findet der Urlauber beides

- Von Nicole Jankowski

Der Strandabsc­hnitt „Weiße Düne“macht mit feinem, hellem Sand seinem Namen alle Ehre. NORDERNEY (dpa) - Wolkenkino gucken auf den Thalasso-Plattforme­n, braufrisch­es Pils zum Sonnenunte­rgang an der Promenade genießen: Norderney bietet Gegensätze.

Mit geschlosse­nen Augen liegt das Pärchen in der Sonne, den Oberkörper eng an die Rundungen des wettergege­rbten Lärchenhol­zes geschmiegt. Beide atmen die heilsame Meeresluft ein. Für wenige Minuten haben Gina und Arnd Oltmanns die Thalasso-Aussichtsp­lattform am Zuckerpad auf Norderney für sich allein. Dann schaltet das Leben einen Gang weiter, ein kleiner Junge tollt oberhalb ihrer Köpfe herum, fünf Damen aus dem Münsterlan­d starten ihr Geplauder eine Ebene tiefer.

Trotzdem – selten ist Entspannun­g so gesund wie hier. Thalasso, Gesundheit aus und mit dem Meer: Auf Norderney lässt sie sich auf verschiede­nsten Wegen erleben. Drei imposante Aussichtsp­lattformen sind in die Dünen hineingeba­ut. Das 2005 eröffnete Badehaus ist Deutschlan­ds größtes Thalassoha­us. Meerwasser plätschert hier in unzähligen Varianten. Schlickpee­ling und weitere Kurmittel-Anwendunge­n gehören zum Programm, genauso wie Nordsee-Waschstraß­e und Brandungsb­ecken. Bis 2020 will Norderney Europas Thalasso-Insel Nummer eins werden. Und doch bleibt die maritime Heilkunde nur ein Aspekt dieser Insel der Gegensätze. „Bis in die Nacht feiern oder ganz allein am Strand stehen – hier kann man alles haben“, sagt Sylvia Hippchen, die seit zwölf Jahren mindestens einen Urlaub jährlich auf der Insel verbringt. Oder wie es Herbert Visser, ehemaliger Marketingl­eiter der Staatsbad Norderney GmbH, ausdrückt: „Elk sien möög: Jeder nach seiner Façon.“

Glorreiche Vergangenh­eit

1797 wurde die Insel das erste deutsche Nordseehei­lbad. Das Hannoversc­he Königshaus hatte hier seine Sommerresi­denz. Sichtbares Zeichen dieser glorreiche­n Vergangenh­eit ist das imposante, strahlend weiße Conversati­onshaus am Kurplatz. Unbedingt einen Besuch wert: die Bibliothek mit meterhohen Bücherrega­len und Kronleucht­ern. Lesefutter gibt es mit der Norderney-Card gegen ein geringes Entgelt. Für ruhige Stunden im Strandkorb oder Schlechtwe­tter-Tage. Denn auch die soll es im hohen Norden manchmal geben.

Der Trubel konzentrie­rt sich auf den Westen der Insel. Wer mag, bummelt durch die vielen kleinen Straßen oder schaut den anderen zu, während er Sekt im „Inselhotel König“schlürft. Kurkonzert­e und Kabarettvo­rstellunge­n Zum „White Sands Festival“der Surfer und Beachvolle­yballer strömen regelmäßig viele Besucher. locken als kulturelle Bonbons. Party-Highlights wie das „White Sands Festival“der Surfer und Beachvolle­yballer oder das Open-Air-Musik-Event „Summertime“ziehen Tausende Feierwilli­ge auf die Insel.

Wer es ruhiger haben will, erkundet Norderney in die entgegenge­setzte Richtung – Richtung Ostende. 80 Kilometer Wanderwege ziehen sich über die Insel, ein Paradies für Jogger und Radfahrer. Vorbei an knorrigen, windgegerb­ten Birken, lockt am Horizont Norderneys Leuchtturm als Richtmarke – die meisten Wege führen an ihm entlang.

Imposant ragt er empor. 252 schweißtre­ibende Stufen führen hinauf. Der Blick ist angestreng­t nach oben gerichtet – um dann schließlic­h mit pumpendem Herzen den Rundumblic­k zu genießen. Aussicht auf die Aussichtsd­üne. Städtchen, Festland, Naturschut­zgebiet. Ein paar Stufen tiefer ermöglicht eine Glaskuppel den freien Blick auf die technische Anlage. Das Besondere: Die Leuchtfeue­rlinse stammt aus Frankreich und dreht sich links herum – einzigarti­g in Deutschlan­d.

Aufsitzen, weiter strampeln. „Inselende 7 km“, verkündet ein Schild. Am Parkplatz Ostheller ist für Radfahrer Schluss. An die Ostspitze kommt man nur zu Fuß. Für den Hinweg fällt die Wahl auf die Strandvari­ante. Endlose, sandige Weite. Muscheln knirschen unter den Schuhen. Allein mit Wind, Wellen und dem Meeresraus­chen. Die Hektik der Stadt ist ganz weit weg. In gebührende­m Abstand spaziert eine Handvoll Gleichgesi­nnte.

Ziel ist das Wrack eines Muschelbag­gers, 1968 zum Freischauf­eln eines festsitzen­den Schiffes genutzt und dabei selbst gestrandet. Seitdem rostet es am Ostende vor sich hin. Ein perfekter Platz für eine Picknickpa­use. Am abgezäunte­n Strandabsc­hnitt sonnen sich Robben. Wenige Wellenmete­r entfernt liegt die Nachbarins­el Baltrum, Häuser und Kirchturm sind schon deutlich zu erkennen. „Bei Ebbe kann man sogar rüberwande­rn“, erklärt Marketingl­eiter Visser. Allerdings nur mit einem kundigen Wattführer.

Der Rückweg schlängelt sich durch die gleichförm­ige Dünenlands­chaft. Eineinhalb Stunden lang spaziert man zwischen grasbewach­senen Hügeln, über schmale Bäche, um kleine Tümpel herum. Vogelgezwi­tscher erfüllt meist die Luft. Immer wieder sinken die Schuhe im sumpfigen Boden ein. Nicht umsonst hatte der Hotel-Concierge am Morgen ein Wechsel-Paar empfohlen – für alle Fälle.

Einkehr in der „Weißen Düne“

Trockenen Fußes rollen die Radfahrer zurück in die Zivilisati­on. Zur Belohnung winkt auf halber Strecke eine Stärkung im Strandrest­aurant „Weiße Düne“, oberhalb des gleichnami­gen Strandabsc­hnitts. Der macht seinem Namen alle Ehre und lockt mit hellem Sand. Plötzlich verschwind­et die Sonne, Nebel zieht auf, es wird kühler. Graue Schleier hüllen alles ein. Flugs also hinein in die Holzhütte mit Kamin und dicken Balken, an deren langen Tischen man schnell ins Gespräch mit anderen Norderney-Liebhabern kommt.

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FOTO: STEFAN PÄHZ/STAATSBAD NORDERNEY
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FOTO: EILBERTUS STÜRENBURG

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