Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Grabungen fördern Erstaunliches zu Tage
Der Archäologe Leif Hansen spricht über neue Ausgrabungen und Erkenntnisse
Es wird um Anmeldung bei der Buchhandlung Geschwister Müller, Telefon 07581/7375, bis Freitag, 4. August, 18 Uhr, gebeten. HEILIGKREUZTAL - Eine mit Informationen prall gefüllte Stunde haben etwa 50 Besucher am Montagabend in Heiligkreuztal erlebt. Auf Einladung des Stefanuskreises berichtete und erzählte Leif Hansen vom Landesamt für Denkmalpflege BadenWürttemberg über „Die neuen Ausgrabungen im Umfeld des frühkeltischen Machtzentrums Heuneburg“. Interessierte Bürger, dazu Kollegen, Grabungshelfer und neugierige Besucher der aktuellen Grabungen waren ein fachkundiges Publikum. Auch als Dank für die dort angemieteten Räume während der Zeit der Grabung betrachtete Hansen seinen Vortrag.
Ein Machtzentrum muss die Gegend um Heiligkreuztal gewesen sein. Zwischen Heuneburg, Alte Burg, Große Heuneburg und dem Bussen – aktuell auch in Ensmad – fanden die Archäologen zahlreiche spektakuläre Hinweise dafür. Sehr dicht bebaut sei die Heuneburg und ihre gehöftartig angelegte Außensiedlung gewesen zur Blütezeit um 600 vor Christus. „Eine enge, stadtartige Bebauung“könne nachgewiesen werden, sagte Hansen. Dazu habe die ab hier schiffbare Donau zu einer äußerst günstigen Lage beigetragen. Zahlreiche Funde legen rege Handelsbeziehungen in den Mittelmeerraum nahe. So gehen die Forscher davon aus, dass sie mit der Heuneburg und der Umgebung das bei dem antiken griechischen Geschichtsschreiber Herodot erwähnte Pyrene gefunden haben. Über die Heuneburg sei vieles bekannt; Spekulation stecke in der Archäologie dennoch. „Wir haben das Ortsschild allerdings noch nicht gefunden“, ergänzte Hansen mit einem Augenzwinkern.
In einem per Laser-Scan erarbeiteten Film, der den Bewuchs des Geländes verschwinden lässt, zeigt er die naheliegenden Verbindungen zu den weiteren Grabungsstätten. Vom rekonstruierten Tor der Heuneburg geht der Blick zwischen den Grabhügeln hindurch direkt zur Alte Burg. Als ein weiß leuchtender Block müsse sie dem Betrachter damals erschienen sein, ehe die Große Heuneburg bei Upflamör zu sehen ist. „Ein Mit viel Engagement bringt Archäologe Dr. Leif Hansen seinen Zuhörern in Heiligkreuztal die Zeit der frühen Kelten nahe. Netz von Siedlungen, die zusammen gehörten“vermuten die Archäologen. Auch der Bussen spiele eine Rolle – und die in dieser Woche erneut beginnenden Grabungen in Ensmad.
Große Anlagen als Statussymbol
Warum die frühen Kelten so große Wehranlagen bauten, war eine der Zuhörerfragen am Ende des Referates. „Man wollte Eindruck schinden“, lautete Leif Hansens Antwort. Die eigene Bevölkerung sollte wohl genauso beeindruckt werden wie die Händler aus den südlichen Ländern oder Besucher anderer Stämme. „Das hat schon was hergemacht“, beschreibt er die eindrucksvollen Bauwerke. Ob es allerdings „Fürstendynastien“waren, die hier bis etwa 450 vor Christus herrschten, sei nur zu vermuten. DNA-Analysen seien noch wenig durchgeführt und bisher ohne „tragfähige Daten“.
Mit wie viel Aufwand die frühen Kelten beispielsweise die beeindruckenden Mauern der Alte Burg gebaut hatten, hätten sie als Ausgräber am eigenen Leib erfahren: Auch sie bewegen – wie die Erbauer vor etwa 2500 Jahren – Tonnen von Steinen und Erde von Hand. Heute allerdings um möglichst wenig zu zerstören, um zu dokumentieren und auch, um Kleinigkeiten zu finden. Und die Alte Burg sei eine monumentale Anlage, die großflächig umgeformt wurde. Es könne keine „profane Siedlung“gewesen sein, da sie „überdimensioniert“sei und vieles dafür nicht passe: kein Wasser, keine Feuerstellen, keine Hausgrundrisse. Möglicherweise, so Leif Hansen, sei dieser zungenförmige Bergsporn „ein großes Heiligtum oder Versammlungsplatz der Region“gewesen. Mit zahlreichen Fotos, die mit seinen Erklärungen auch Laien verständlich werden, macht er auf Einzelheiten aufmerksam.
Häuser aus einer späteren Zeit
Bei der Großen Heuneburg sei der Laser-Scan ebenfalls ein wichtiges Hilfsmittel. Hausgrundrisse seien so sichtbar geworden – allerdings mit einer nachgewiesenen Datierung von 600 nach Christus: „Für uns ist das ein bisschen enttäuschend. Aber so ist das in der Archäologie!“Eine befestigte Siedlung habe jedoch sicher auch zur Zeit der frühen Kelten bestanden; viele Keramikscherben legten das nahe. Und: Es muss „Bauernhöfe“gegeben haben.
Und bei Ensmad, der kleinen Siedlung im idyllischen Hochtal nahe Ittenhausen, wird erneut intensiver gegraben. Frühkeltische Funde habe es hier bereits 1995 gegeben. Inzwischen wurden runde Gruben angeschnitten und freigelegt. Vermutlich seien es Vorratsbehälter gewesen, sagte Leif Hansen beim Nachfragen, und später Abfallgruben. Ein „beachtliches Aufkommen“an Metallfunden sei zu verzeichnen. Die dadurch nachgewiesene Zeit passe wunderbar. „In Ensmad geht es in dieser Woche wieder los“, sagte er.
Und wie es mit dem Bussen sei, wurde Leif Hansen gefragt. „Der Bussen ist schwierig“, war seine Antwort. Es gebe Funde; der Hangbereich sei in Teilen künstlich angelegt; zeit- und geldintensiv seien weitere Untersuchungen jedoch. „Da sind wir noch nicht so weit.“Mit einer Abbildung des „einmaligen Bronzefigürchens“des Unlinger Reiters schloss Hansen seinen Vortrag. Mit viel Wissen und spürbarem Engagement konnte er seine Begeisterung auf seine Zuhörer übertragen.