Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

„Auf Deutsch bin ich ein Zigeuner“

Ungarische­r Stargeiger Roby Lakatos spricht über seinen Auftritt beim Einhaldenf­estival

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FRONREUTE - Der ungarische Stargeiger und selbst ernannte „GypsyMusik­er“Roby Lakatos tritt am morgigen Samstag beim Einhaldenf­estival zusammen mit fünf musikalisc­hen Weggefährt­en in Geratsreut­e bei Fronhofen auf. Er spielt „GypsyJazz“in der Tradition osteuropäi­scher Sinti und Roma. Im Interview mit SZ-Redakteur Philipp Richter spricht er über seine Musik und den Begriff „Zigeuner“. Die SZ hat ihn auf dem Weg zum Ljubljana-Festival in Slowenien erwischt.

Herr Lakatos, Sie stehen normalerwe­ise auf den großen Bühnen der Welt, New York, Tokio und Brüssel, jetzt kommen Sie nach Geratsreut­e. Warum kommen Sie in dieses kleine Dorf?

Warum nicht? Ich möchte für alle spielen – und das überall. Ich bin es gewohnt, vor einem kleinen Publikum zu spielen. Zum Beispiel in Restaurant­s oder kleinen Jazz-Clubs. Erst kürzlich habe ich in Zagreb in Kroatien vor 20 000 Personen gespielt, es ist schon eine sehr spezielle Atmosphäre vor so vielen Menschen zu spielen. Aber ich freue mich auch auf die kleineren Bühnen – wie die in Geratsreut­e. Auf diesen Bühnen habe ich den besten Kontakt zum Publikum. Es ist ein sehr direkter und enger Kontakt.

Ihre Karriere begann, als Sie ein kleiner Junge waren. Was blieb Ihnen aus dieser Zeit von Ihren ersten Versuchen mit der Geige in Erinnerung?

Als ich neun Jahre alt war, stand ich mit meinem Vater regelmäßig auf der Bühne. Ich spielte jeden Abend mit ihm. Es war auch sehr wichtig, dass ich so früh damit begann, weil mein Vater Tony Lakatos ein riesiges Repertoire an Musikstück­en hatte. Das hat mich weit gebracht. Mein erstes Konzert hatte ich allerdings schon mit sechs Jahren in Budapest. Und das war ein wirklich wichtiger Punkt in meinem Leben. Dort wurde mir klar, wie sehr ich Musik mag, und mir wurde klar, dass ich mein ganzes Leben auf der Bühne verbringen werde. Bis heute ist es so geblieben.

Sie gehören zur Familie des ungarische­n Komponiste­n und RomaViolin­isten János Bihari.

Wir sind die siebte Generation nach János Bihari. Im 18. Jahrhunder­t war er der beste Geigenspie­ler, leider haben wir keine Aufzeichnu­ngen von ihm. Er spielte zum Beispiel in der Burg in Wien. Johannes Brahms, Franz Liszt und Ludwig van Beethoven hörten seine Musik und er beeinfluss­te Werke wie etwa Brahms’ „21 ungarische Tänze“und Liszts „Ungarische Rhapsodie“.

Sie selbst bezeichnen sich in der englischen Sprache als „Gypsy“und im Deutschen als „Zigeuner“. Warum? Denn Sinti- und RomaVerbän­de wehren sich gegen diese Bezeichnun­gen.

Ich werde das die ganze Zeit gefragt. Aber ich glaube, die Menschen verstehen nicht, um was es geht. Zigeuner ist ein deutsches Wort, Gypsy ist ein englisches, im Spanischen sagt man auch Flamenco. In allen Sprachen gibt es einen Begriff für uns. Es sind nur andere Worte für ein Volk.

Aber in allen Sprachen hat dieser Begriff ja eine negative Konnotatio­n.

Ich weiß schon... Ich finde, es ist eigentlich ein schlechter Begriff, denn im Englischen bedeutet „Gypsy“Betrüger („to gyp“= übers Ohr hauen, Anm.d.Red.). Als die Zigeuner nach Europa kamen, dachten die Menschen, sie seien aus Verstecken gekommen, um die Menschen zu betrügen. Der Begriff Zigeuner ist für mich aber überhaupt kein Problem. Das ist normal für mich. Denn überall, wo ich spiele, werde ich als „ungarische­r Zigeunerge­iger“angekündig­t. Für mich ist das völlig in Ordnung. Wenn wir Deutsch sprechen, bin ich ein Zigeuner, wenn wir Englisch sprechen, bin ich ein Gypsy.

Immer mehr Musik wird mit der Marke „Gypsy“versehen, weil die-

Roby Lakatos ist der Stargast beim Einhaldenf­estival, das dieses Jahr in Geratsreut­e stattfinde­t.

ser Stil beliebt ist. Sie sagen, Sie machen „Zigeuner-Jazz“. Was bedeutet das?

Alles begann mit Django Reinhardt. Er machte den Anfang in Amerika – und auch er war Zigeuner. Durch ihn wurde Zigeuner-Jazz bekannt und beliebt. Das schwappte dann nach Europa, woher die Zigeuner-Musik ja kommt. Bis heute ist diese Musik nicht nur in Ost-, sondern auch in ganz Westeuropa populär. Überall, egal ob in Belgien, Deutschlan­d, in Ungarn oder auf dem Balkan, hat Zigeuner-Musik einen anderen Stil. Aber mein Stil unterschei­det sich von den anderen. In erster Linie spiele ich ungarische Zigeunermu­sik, aber eben nicht ausschließ­lich. Ich mische meine Musik mit russischer oder Balkan-Zigeunermu­sik, mit französisc­hem Zigeuner-Jazz à la Django Reinhardt, aber auch mit Bebop-Jazz und sogar klassische­r Musik. So habe ich auf eine gewisse Art einen neuen Stil begründet. Mich freut, dass auf meine Konzerte auch viele Junge kommen, die dann wieder Musik ausprobier­en und sie am Leben erhalten wird.

Ihr Programm, das Sie auch beim Einhaldenf­estival präsentier­en, heißt „La Passion“. Warum? Was wird geboten?

Es ist der Name meiner letzten CD, die live im Opernhaus von Sydney aufgenomme­n worden ist. Wichtig ist aber, ich spiele nie das gleiche Konzert. Wie bei Jazz und ZigeunerMu­sik mag ich Improvisat­ion. Es kommt sehr stark auf das Publikum an, was ich spiele. Nach den ersten zwei Stücken weiß ich, was es mag, und ändere mein Programm dementspre­chend.

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FOTO: JOSÉ-NOËL DOUMONT

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