Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Später Lohn für alte Eltern

Von August an öffnet sich für privat Krankenver­sicherte ein Schlupfloc­h zum Wechsel

- Von Wolfgang Mulke

BERLIN - Im Alter steigen die Beiträge für privat Krankenver­sicherte oft stark an. Die monatliche Zahlung überforder­t Männer und Frauen mit geringer Rente häufig. Doch ein Wechsel in die gesetzlich­e Krankenver­sicherung (GKV) ist nur bis zum 55. Lebensjahr möglich. Doch ab dem 1. August können einige Rentner oder angehende Ruheständl­er doch noch auf eine Wechselmög­lichkeit hoffen. Dann tritt eine Änderung im Sozialrech­t in Kraft.

Kernstück ist ein neuer Passus in der sogenannte­n Neun-Zehntel-Regelung. Danach darf ein Rentner dann in die gesetzlich­e Krankenver­sicherung eintreten, wenn er oder sie in der zweiten Hälfte seines Berufslebe­ns zu 90 Prozent der Zeit Mitglied einer Krankenkas­se war. Angenommen, das Erwerbsleb­en dauerte 40 Jahre. Die zweite Hälfte umfasste 20 Jahre. Neun Zehntel davon sind 18 Jahre. Bei dieser Rechnung wird vom ersten Tag des Berufslebe­ns alles berücksich­tigt. Neu ist nun, dass Kinder bei der erforderli­chen Mitgliedsz­eit recht großzügig berücksich­tigt werden.

Großzügige Anrechunge­n

Für jedes Kind, Stiefkind oder Pflegekind rechnet die Sozialvers­icherung künftig drei Jahre Mitgliedsc­haft an. „Das ist eine gute Nachricht für alle Rentner, die bisher viel Geld für ihre Krankenver­sicherung bezahlen mussten“, sagt die Präsidenti­n des Bundesverb­ands der Rentenbera­ter, Marina Herbrich. Denn mit einem Wechsel von der privaten in die gesetzlich­en Krankenver­sicherung könne viel Geld gespart werden. Auch freiwillig­e Kassenmitg­lieder dürften deutlich weniger Beiträge bezahlen.

Die Neuregelun­g betrifft Mütter und Väter, denn beide Elternteil­e erhalten pro Kind drei Jahre gutgeschri­eben. In der Beispielre­chnung müssten Eltern mit zwei Kindern nur noch zwölf Jahre freiwillig oder verpflicht­et Kassenmitg­lied gewesen sein, um zur GKV zu wechseln. Wie viele Rentner die neue Regelung nutzen werden, ist nicht bekannt. „Eine seriöse Schätzung können wir leider nicht abgeben, da uns kein entspreche­ndes Zahlenmate­rial vorliegt“, bedauert eine Sprecherin des Spitzenver­bands der Kassen.

Die Anrechnung der Kinderzeit­en ist großzügig angelegt. Es kommt zum Beispiel nicht darauf an, dass Mütter oder Väter die Kinder selbst betreut haben. Auch wenn das Kind schon in den ersten drei Jahren nach der Geburt gestorben ist, werden die ganzen drei Jahre angerechne­t. Auch dass die Erwerbstät­igkeit für die Erziehung unterbroch­en oder ein Kind erst nach dem 18. Lebensjahr adoptiert oder in Pflege genommen wurde, spielt keine Rolle.

Wichtig ist die Gesetzesän­derung in einigen Fälle auch für Erwerbstät­ige, die kurz vor dem Ruhestand stehen. Sie sollten ausrechnen, ob für sie die Wechselopt­ion infrage kommt. Laut Herbrich kann es sich in Einzelfäll­en lohnen, noch ein wenig mit dem Rentenantr­ag zu warten, wenn sich dadurch die Neun-Zehntel-Voraussetz­ung erfüllen lässt. Liegt erst einmal ein Rentenbesc­heid vor, ist es zu spät. Ein laufender Antrag lässt sich jedoch noch zurückzieh­en. Hier raten Experten, einen Berater aufzusuche­n. Das können private Rentenbera­ter oder die Fachleute der Krankenkas­sen sein.

Das Gesetz sieht keine automatisc­he Umstellung bereits laufender Mitgliedsc­haften vor. Die Krankenkas­sen sind zwar zur Beratung und Informatio­n über die neuen Möglichkei­ten verpflicht­et, doch ein Blick auf die Internetse­iten von AOK und BarmerGEK lässt vermuten, dass das Interesse der Kassen an weiteren, für sie vergleichs­weise teuren Mitglieder­n nicht sehr groß ist. Dort finden sich auf die Schnelle keine Informatio­nen dazu.

„Das Antragsver­fahren ist formlos“, erläutert Rentenbera­terin Herbrich. Kopien der Geburtsurk­unden der Kinder oder Nachweise zur Pflegeelte­rnschaft oder Adoption reichen demnach aus. Damit wenden sich freiwillig Versichert­e an ihre Krankenkas­se. Privat Versichert­e suchen sich eine für sie geeignete Krankenkas­se aus und beantragen dort die Mitgliedsc­haft.

Nicht für jeden lohnend

Nach Einschätzu­ng der Expertin lohnt sich die Rückkehr in die GKV aber nicht für alle privat Versichert­en. Wenn jemand eine hohe Betriebsre­nte beziehe, könne der Wechsel am Ende teurer werden. Denn für die Betriebsre­nten müssten die Rentner Krankenkas­senbeiträg­e entrichten.

Die Berechnung der Beiträge für Rentner in der Krankenver­sicherung der Rentner (KvdR), wie dieser Teil der GKV korrekt heißt, ist komplizier­t. „Auf die Einkommens­gruppen entfallen unterschie­dliche Beitragssä­tze“, erklärt das Verbrauche­rportal Finanztip.de. Für die gesetzlich­e Rente werden danach 7,3 Prozent fällig. Für Versorgung­sbezüge wie Betriebsre­nten sowie weitere Löhne und Gehälter wird der volle Satz von 14,6 Prozent berechnet. Mieteinahm­en, Kapitalein­künfte oder private Renten bleiben beitragsfr­ei. Bei freiwillig KvdR-Versichert­en werden diese Zusatzeinn­ahmen mit einem Beitragssa­tz von 14 Prozent belegt.

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FOTO: DPA Eine Änderung des Sozialrech­ts macht es ab August möglich, dass einige Rentner oder angehende Ruheständl­er in die gesetzlich­e Krankenver­sicherung wechseln können.

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