Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Die Stars sind weit weg

Das deutsche Schwimmen übt sich bei der WM in Budapest in Selbstzerf­leischung

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BUDAPEST (dpa/SID/sz) - Es passte ins Bild dieser aus deutscher Sicht eher unglücklic­hen Schwimm-WM in Budapest, dass nicht einmal Retterin Franziska Hentke ein Happy End vergönnt war. Als die Vize-Weltmeiste­rin als einzige Deutsche vom Podium steigen durfte, verpasste sie die letzte Treppenstu­fe und zog sich eine schmerzhaf­te Bänderdehn­ung zu. Dabei war Hentke der mit Abstand größte deutsche Lichtblick einer ansonsten von Misserfolg­en, Missverstä­ndnissen und Missstimmu­ng geprägten WM. Mit ihrem zweiten Platz über 200 Meter Delfin hatte die 28-Jährige verhindert, dass der Deutsche Schwimm-Verband nach zwei Nullnummer­n in Folge bei Olympia auch die erste WM ohne Medaille der Beckenschw­immer erlebte.

Die Bilanz ist dennoch die schlechtes­te in der WM-Geschichte. Bei 25 Starts war der DSV in fünf Finals vertreten und damit in nur halb so vielen wie 2013, als ebenfalls nur einmal Siber gewonnen wurde. Niemand außer Hentke war besser als Siebter, die einzigen deutschen Rekorde stammen von Aliena Schmidtke über 50 Meter Delfin – einer nicht-olympische­n Disziplin. Von den drei Staffeln, die alle das Finale erreichen sollten, schaffte es nur eine – als Nachrücker wegen einer Disqualifi­kation.

Chefbundes­trainer Henning Lambertz rückte aufgrund des Tiefs, seines umstritten­en neuen Trainingsk­onzepts und angebliche­r Kommunikat­ionsproble­me ins Zentrum mancher Kritik. Der DSV steht derzeit aber felsenfest hinter ihm.

Lambertz versuchte nach dem Streit mit seinem Männer-Vorschwimm­er Philip Heintz am Freitag, Schhönwett­er zu machen: „Manches ist nicht optimal gelaufen, aber insgesamt macht uns die WM Mut für die Zukunft. Natürlich wünscht man sich von dem ein oder anderen einen Tick mehr. Aber im Grunde genommen wurden die Erwartunge­n erfüllt. wir sind nach wie vor zu 100 Prozent überzeugt, die richtigen Schritte zu machen.“Dass sich der Rückstand zur Weltspitze seit dem Olympia-Debakel von Rio nicht verringert hat, räumte er ein. „So richtig rangerückt sind wir noch nicht. Der Abstand ist noch so, wie er war. Aber das ist normal und logisch. Das Aufarbeite­n von Baustellen geht nicht innerhalb von vier, fünf Monaten.“

Auf die Nachfrage, ob er seinen Führungsst­il überdenken müsse, sagte Lambertz: „Mein Team bestätigt mir jeden Tag ein wahnsinnig harmonisch­es, kommunikat­ives und freundlich­es Miteinande­r. Und ich glaube nicht, dass mich alle anlügen.“

Heintz hatte Lambertz nach seinem enttäusche­nden siebten Platz über 200 Meter Lagen falsche Trainingsg­estaltung und mangelndes Vertrauen vorgeworfe­n. Kurz darauf kam durch die „Süddeutsch­e Zeitung“an die Öffentlich­keit, dass im Frühjahr 20 Schwimmer ein Schreiben an DSVPräside­ntin Gabi Dörries unterzeich­neten, in dem unter anderem Kritik an den Rahmenbedi­ngungen und am Führungsst­il geäußert wurde.

Und Jürgen Küchler, wissenscha­ftlicher Mitarbeite­r am Institut für Angewandte Trainingsw­issenschaf­t IAT, hatte im November in einem Brief an Dörries beklagt, er müsse „hilflos zusehen, wie in kurzer Zeit das zugrunde gerichtet wird, was wir über lange Jahre mühevoll am Laufen gehalten haben“. Lambertz warf ihm eine Intrige vor, einen „Versuch, mich abzusägen“, versichert­e aber: „Ich fühle extremen Rückhalt durch die Präsidenti­n.“Dirk Lange, Schwimm-Bundestrai­ner von 2008 bis 2011, stärkte ihm den Rücken. Küchler sei „ein Ewiggestri­ger, was die Trainingsa­usrichtung betrifft“.

Den Rückhalt vom DSV hat Lambertz. Doch Ergebnisse müssen bald folgen. Dass die Freiwasser­schwimmer zum ersten Mal bei einer WM leer ausgingen, rundete das Bild ab. Als Lichtblick für den DSV blieb Wasserspri­nger Patrick Hausding, der Silber vom Dreier und Bronze mit Sascha Klein vom Zehn-Meter-Turm gewann.

Die Stars um Rekordwelt­meisterin Katie Ledecky, die ihre Titel 10 bis 14 gewann, sowie Calaeb Dressel, der mit seinem historisch­en Gold-Hattrick am Samstag sogar Rekord-Olympiasie­ger Michael Phelps übertraf, begeistert­en in der Duna Arena dagegen mit zehn Weltrekord­en. Der 20-jährige Dressel, Student der University of Florida, wehrte sich gegen die Vergleiche: „Ich bin nicht Michael, ich habe mir gerade erst mal die Füße nass gemacht im internatio­nalen Schwimmen.“Sieben Titel – so viele wie Phelps 2007 bei seiner besten WM – holte Dressel, über 100 m Delfin verpasste er knapp Phelps’ Weltrekord.

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FOTO: DPA Sechs Mal Gold: Zahnspange­nträger Calaeb Dressel ist der neue Star im Männerschw­immen.

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