Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Vom Regen in die Traufe

Deutsche Fußballfra­uen verpassen nach 1:2 EM-Halbfinale – Zukunft von Bundestrai­nerin Steffi Jones offen

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ROTTERDAM (dpa/SID) - Der Blick der sonst stets so fröhlichen und zuversicht­lichen Steffi Jones ging ins Leere. Sichtlich gezeichnet vom bitteren und unerwartet schnellen Ende des EM-Traums suchte die Bundestrai­nerin nach dem 1:2 (1:1) im Viertelfin­ale gegen Dänemark nach Worten und Erklärunge­n. „Unser Siegeswill­e war nicht so groß wie der von Dänemark. Natürlich ist die Enttäuschu­ng jetzt sehr groß“, so Jones, die das Aus bei der Pressekonf­erenz nach dem Spiel noch nicht richtig realisiert zu haben schien.

Verstanden hatte die 44-Jährige dagegen, dass es nach der erschrecke­nd schwachen Vorstellun­g ihrer Mannschaft um ihre Zukunft geht. Trainernov­izin Jones, an der bereits bei ihrer Berufung als Nachfolger­in von Silvia Neid gezweifelt wurde, will um ihren Job kämpfen. „Die Entscheidu­ngsträger sitzen im DFB. Die werden in den nächsten Tagen mit mir zusammensi­tzen und entscheide­n, wie es weitergeht“, sagte sie, „meine Motivation ist da. Ich möchte gerne weitermach­en.“

Grindel vermeidet Bekenntnis

Ob Jones das darf, scheint offen. Reinhard Grindel vermied jedenfalls ein Bekenntnis zur Trainerin. „Natürlich sind wir beim DFB alle sehr enttäuscht über das frühzeitig­e Ausscheide­n unserer Frauen-Nationalma­nnschaft und vor allem über die spielerisc­he Leistung, die unsere Mannschaft gegen das dänische Team gezeigt hat“, schrieb der DFBPräside­nt bei Facebook. Und weiter: „Wir werden nunmehr in aller Ruhe, unabhängig von der aktuellen Enttäuschu­ng über das Ausscheide­n, mit allen Beteiligte­n analysiere­n und überlegen, was zu tun ist, damit unsere Frauen-Nationalma­nnschaft wieder an frühere Erfolge anknüpfen kann.“

Seit 1989 hatten die DFB-Frauen bei Europameis­terschafte­n jedes Mal mindestens das Halbfinale erreicht. Nur 1984 und 1987, als die Turniere jeweils nur mit vier Teams ausgespiel­t wurden, fehlte eine deutsche Auswahl. Zwischen 1989 und 2013 wurden die DFB-Frauen insgesamt achtmal Europameis­ter, zuletzt gelangen sogar sechs (!) Titelgewin­ne am Stück. Insgesamt war es die erst fünfte Niederlage der DFB-Frauen im 47. EM-Spiel. Fassungslo­sigkeit nach dem EM-Aus: Die deutschen Fußball-Nationalsp­ielerinnen Mandy Islacker (li.) und Lena Goeßling snach dem 1:2 gegen Dänemark im Viertelfin­ale.

Doch in den Niederland­en konnten die amtierende­n Olympiasie­gerinnen von Anfang an nicht überzeugen. Weder in den drei Gruppenspi­elen bei dem dürftigen 0:0 gegen die ebenfalls schon im Viertelfin­ale gescheiter­ten Schwedinne­n, bei dem 2:1 gegen Italien oder dem 2:0 gegen Russland – noch am Sonntag im ersten K.o.-Spiel.

Zwar gelang Isabel Kerschowsk­i gegen die Däninnen in der 3. Spielminut­e endlich das erste deutsche Turniertor aus dem Spiel heraus. Aber Sicherheit und Mut gab der von einem groben Schnitzer der Torfrau Stina Petersen begünstige Führungstr­effer keineswegs. Im Gegenteil: Es zeigten sich die gleichen Probleme im Passspiel und beim Torabschlu­ss wie in der Vorrunde. Jones kritisiert­e ihre Spielerinn­en deutlich. „Wir haben Eine Helferin fiel beim Versuch, einen Probeschus­s aufs Tor zu bringen, am Samstag auf den nassen Rasen. Jones tat es richtig leid. jegliche Souveränit­ät und Aggressivi­tät vermissen lassen, waren unsicher und hatten viele Ballverlus­te“, klagte sie.

So verweigert­en Dzsenifer Marozsán und Kerschowsk­i plötzlich den Dienst, als sie nach einem vermeintli­chen Foul vergeblich auf einen Pfiff der ungarische­n Schiedsric­hterin Katalin Kulcsar warteten. Dem Team von Nils Nielsen fiel das 1:1 von Nadia Nadim somit praktisch in den Schoß. Den Traum vom neunten EM-Titel zerstörte Theresa Nielsen (83.) mit ihrem Treffer zum sechsten Sieg der Däninnen im 22. Duell mit einer DFB-Auswahl.

„Uns hat einfach die Aggressivi­tät und die Überzeugun­g gefehlt“, monierte Torhüterin Almuth Schult. „Es ist bitter, wie dieses Aus zustande kommt: Wenn man seit Wochen den Rhythmus hat und dann hier um 11 Uhr raus muss zum Warmmachen, das ist eine ziemliche Katastroph­e.“Damit spielte sie auf die rund 15stündige Verzögerun­g des Anpfiffs. Nach heftigen Regenfälle­n war die für Samstagabe­nd angesetzte Partie verschoben worden. Der Dauerregen hatte für denkwürdig­e Szenen gesorgt: Die Trainerbän­ke waren unter Wasser gestanden, Jones selbst hatte in der Eimer-Kette mitgeholfe­n, ihren Arbeitspla­tz trocken zu legen. TV-Moderatore­n waren barfuß im knöcheltie­fen Wasser gestanden, während Helfer versucht hatten, die Lachen vom Rasen zu schieben.

Die Absage war auch auf ausdrückli­chen Wunsch von Jones und Co. erfolgt. Jones mochte die schwierige Vorbereitu­ng dann am Sonntag auch nicht als Erklärung gelten lassen: „Dänemark hatte die gleichen Bedingunge­n“, sagte sie, nachdem ihre Mannschaft vom Regen in die Traufe gekommen war.

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FOTO: DPA
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FOTO: AFP

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