Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Der Omnibus hat Demokratie im Gepäck

Bis morgen können sich Passanten über das Thema Volksabsti­mmung informiere­n

- Von Anna-Lena Buchmaier

SIGMARINGE­N - Für drei Tage macht der Omnibus für direkte Demokratie derzeit Halt in Sigmaringe­n. Bis Mittwoch können sich Passanten auf dem Leopoldpla­tz mit dem Team des Busses austausche­n und ihre Unterschri­ft für die Einführung der Volksabsti­mmung in Deutschlan­d geben. Seit 30 Jahren fährt der weiße Doppeldeck­erbus durch deutsche Städte, etwa 100 im Jahr steuert er an, kleine wie große. Der Bus bleibt meist für zwei bis drei Tage an einem Platz. Die Idee stammt in den Grundzügen von Künstler Joseph Beuys: Er wollte die direkte Demokratie zu den Menschen bringen und nicht nur diejenigen dafür begeistern, die sich aktiv damit beschäftig­en. Initiiert und umgesetzt haben die Aktion Johannes Stüttgen, ein Meistersch­üler Beuys’, und Brigitte Krenkers 1987 in Witten, dort sitzt auch das Büro der Bürgerinit­iative, die auch die Fahrtroute­n des Busses plant. Mehrere Hunderttau­send Unterschri­ften hat das Team über die Jahre hinweg gesammelt, in Form einer eigenen kleinen Volksabsti­mmung. Die ist zwar nicht rechtswirk­sam, aber soll in Berlin ein Zeichen setzen. Für eine Zweidritte­lmehrheit im Bundestag hat es bislang noch nicht gereicht. Eine Lobby für den Bus gibt es nicht. Das Team finanziert sich aus Spenden eines Fördererkr­eises.

Busfahrer wohnt im Bus

Vor dem Bus stehen die Schülerin Anna Krawietz, Studentin Freya Lintz und Busfahrer Werner Küppers – er wohnt seit 17 Jahren im Bus, von April bis November. Auch Anna und Freya schlafen dort, solange sie mit dem Bus auf Achse sind. Geduscht wird bei Bekannten, netten fremden Unterstütz­ern oder in Freibädern. Es ist ein Leben im Dienst der Gesellscha­ft, dem sich Werner Küppers verschrieb­en hat. Er versteht den lateinisch­en Ablativ Omnibus wörtlich: für alle, durch alle, mit allen. „Ich mache das alles nur, damit meine Enkelin auch noch ein schönes Leben auf diesem Planeten führen kann“, sagt er. Schülerin Anna stellt fest: „Ich habe noch nie so viel binnen so kurzer Zeit gelernt.“Jeden Tag tauschen sie sich mit zahlreiche­n Menschen aus – Skeptikern, Wutbürgern, Befürworte­rn, Politikver­drossenen. „Viele kommen mit konkreten Fragen auf uns zu. Manche wollen wissen, worüber wir abstimmen möchten, dabei geht es uns darum, das Instrument der Volksabsti­mmung überhaupt erst einzuführe­n. Jeder Mensch hat das Recht, mitzuentsc­heiden“, so Anna Krawietz. Dass die Staatsgewa­lt vom Volk ausgeht und in Form von Wahlen und Abstimmung­en ausgeübt wird, ist auch im Grundgeset­z-Artikel 20 festgelegt, doch werde dies in Deutschlan­d so nicht praktizier­t. In der Schweiz hingegen ist die Volksabsti­mmung Teil des politische­n Systems: „Das Volk sieht dort die Parteien als Instrument, aber es selbst ist der Souverän“, sagt Werner Küppers. Mit politische­r Gesinnung habe direkte Demokratie nichts zu tun, vielmehr mit Selbstbest­immung und damit, Verantwort­ung für eigene Entscheidu­ngen zu tragen.

Kaum eine Lobby

In Deutschlan­d habe der Bus kaum eine Lobby, im Ausland hingegen schon: „Schon sieben Mal wurden wir zu Weltkongre­ssen der direkten Demokratie eingeladen“, sagt Werner Küppers. Die Teammitgli­eder bezeichnen sich als „Demokraten“. „Wir fühlen uns in Sigmaringe­n herzlich willkommen“, sagt Busfahrer Werner Küppers. „Wir lassen die Leute auf uns zukommen, wir sprechen keinen an“, sagt Freya Lintz. Immer wieder steuern Passanten auf den Bus zu. Ein Herr um die 60 will wissen, ob sich das Team etwa dafür einsetze, die Regierung abzuschaff­en. „Nein, die brauchen wir“, sagt Freya Krawietz. Der Herr bleibt skeptisch, will wissen, wie die Volksabsti­mmung in der Praxis abläuft und wird von den Dreien informiert. Nach einigen Minuten geht er, Restzweife­l scheint er noch zu haben. „Ich finde es spannend zu sehen, wenn skeptische Menschen weglaufen, ohne eine Unterschri­ft zu geben, aber man merkt, wie es in ihnen weiter arbeitet“, sagt Anna Krawietz.

 ?? FOTO: ANNA-LENA BUCHMAIER ?? Anna (links) und Freya informiere­n Bürger auf dem Leopoldpla­tz über das Thema Volksabsti­mmung. Der Omnibus für direkte Demokratie steht dort noch bis Mittwoch.
FOTO: ANNA-LENA BUCHMAIER Anna (links) und Freya informiere­n Bürger auf dem Leopoldpla­tz über das Thema Volksabsti­mmung. Der Omnibus für direkte Demokratie steht dort noch bis Mittwoch.

Newspapers in German

Newspapers from Germany