Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Für Netanjahu wird es eng
Korruptionsvorwürfe gegen Israels Ministerpräsidenten: Kronzeuge geht Vereinbarung mit Staatsanwaltschaft ein
JERUSALEM - Korruptionsvorwürfe schienen bislang an Benjamin Netanjahu abzuperlen. Dass gegen ihren Ministerpräsidenten mehrere Ermittlungsverfahren laufen, ist der israelischen Öffentlichkeit seit dem Winter bekannt. Politisch anhaben konnte ihm das wenig bis nichts. Netanjahu vermochte sich darauf zu verlassen, dass die Wähler des Likud, seiner Regierungspartei, ihn für unersetzlich hielten. Doch diesmal sieht es nicht danach aus, als ob die Ermittlungssache im Sande verläuft.
Zu viel hat die Polizei offenbar inzwischen gegen Netanjahu in der Hand – und dazu einen Kronzeugen. Es handelt sich um Netanjahus ehemaligen Stabschef Avi Harow. Der in den USA geborene Harow, einst Vorsitzender der „Amerikanischen Freunde des Likud“, soll selber krumme Geschäfte getätigt haben. Als die Ermittler ihm auf die Schliche kamen, entdeckten sie auf seinem Handy den Mitschnitt eines Gesprächs zwischen Netanjahu und dem Zeitungsverleger Arnon Moses – brisanter Stoff für das „Ermittlungsverfahren 2000“.
Es beruht auf dem Verdacht eines Kuhhandels: Wenn Moses, Herausgeber von „Jedioth Achronoth“, für eine wohlgesonnene Berichterstattung sorge, werde Netanjahu im Gegenzug dem umsonst verteilten Konkurrenzblatt „Israel Ha-Jom“finanzielle Zügel anlegen. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bestreitet alle Vorwürfe.
In dem „Verfahren 3000“um das milliardenschwere U-Boot-Geschäft zwischen Israel und Thyssen Krupp, das schwer nach Vetternwirtschaft riecht, gibt es bereits einen Kronzeugen: Michael Ganor, den israelischen Gesandten der deutschen Werftbauer. Aber auch Harow könnte vermutlich einiges beisteuern, warum der Premier an dem Kauf so sehr interessiert war. Am Freitag unterschrieb Harow eine Vereinbarung mit der Staatsanwaltschaft: Demnach kommt er ohne Gefängnisstrafe davon, ist dafür aber bereit, in einem Prozess gegen seinen früheren Boss auszusagen. Als Insider dürfte Harow auch vom Vorwurf im „Verfahren 1000“wissen: Danach soll das Ehepaar Netanjahu von reichen Gönnern regelmäßig mit teuren Zigarren und kistenweise Champagner beschenkt worden sein.
Über ihre Verhandlungen mit Harow hatte die Ermittlungsseite eine gerichtliche Nachrichtensperredurchgesetzt. In der Begründung gab sie unter anderem an, im Fall Netanjahu werde wegen ernster Straftaten wie Annahme von Schmiergeld, Betrug und Vertrauensbruch ermittelt. Für Israels Regierungschef wird es eng, auch wenn Netanjahu bei seinem Standarddementi blieb: „Es wird nichts rauskommen, weil da nichts war.“
Seine engsten Freunde im Likud wirken zunehmend angespannt. Sie bauen bereits für den Fall einer Anklage vor. Für einen Premier sei dies doch noch kein Grund, das Handtuch zu werfen, sagte Netanjahus treu ergebener Koalitionschef, David Bitan. Längst nicht alle in Netanjahus Partei denken so. Zumal in Israel bislang noch jeder Premier, der strafrechtlich angeklagt wurde, umgehend den Rücktritt einreichte. Nicht wenige sind überdies Netanjahus selbstherrlichen Regierungsstil, die ihm nachgesagte Arroganz und Dekadenz, schon länger leid.
Anbiedern an Rechtsnationale
Umso mehr versucht Netanjahu die rechtsnationale Anhängerschaft erneut für sich einzunehmen. In jüngster Zeit inszeniert er geradezu ein populistisches Feuerwerk. Mal fordert er die Todesstrafe für palästinensische Terroristen. In Israel ist sie für Verbrechen gegen die Menschheit vorgesehen und nur einmal vollstreckt worden – im Jahr 1962 gegen SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann. Ein anderes Mal liebäugelt Netanjahu mit einer alten Idee seines strammrechten Verteidigungsministers Avigdor Lieberman, Gebiete jüdischer Siedler in der Westbank zu annektieren und dafür die arabisch-israelische Stadt Umm al-Fahim abzustoßen.
Auch machte sich Netanjahu kürzlich dafür stark, den arabischen Sender „al-Dschasira“in Israel zu verbieten. Politisch sind das jedoch nicht mehr als Eintagsfliegen. Vor dem Obersten Gericht in Jerusalem hätten diese Vorschläge kaum Bestand.