Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Tiefgreife­nder Umbau

Donald Trump hat in den sechs Monaten seiner Präsidents­chaft sehr viel verändert

- Von Martin Bialecki

WASHINGTON (dpa) - Seine Umfragewer­te mögen im Keller sein, das Image in der Welt ruiniert, alle großen Vorhaben in der Sackgasse – und doch hat Donald Trump in den sechs Monaten seiner Präsidents­chaft sehr viel verändert. Zwar steht die historisch­e Steuerrefo­rm in den Sternen, ist „Obamacare“noch am Leben, macht die Russland-Affäre Trump weiter das Leben schwer. Aber ein Blick auf die Felder Umwelt, Energie oder Justiz zeigt, wie konsequent und womöglich langfristi­g seine Regierung Amerika umbaut. Die SkandalSch­einwerfer verbrennen fast allen Sauerstoff der öffentlich­en Aufmerksam­keit. Eine Zwischenbi­lanz aus einer Art Halbschatt­en.

Trump baut das Justizsyst­em um, er schreibt die Umwelt- und Einwanderu­ngsgesetzg­ebung neu, er deregulier­t, was immer möglich ist, bringt gewaltige Bauprojekt­e auf den Weg und befreit Wirtschaft und Unternehme­n von dem, was er „Fesseln“nennt. Diese Politik ist in allem das Gegenteil von Barack Obama, und viele sagen, genau darum gehe es ja. Seine Anhänger sind begeistert.

44 Prozent unter den Anhängern der Republikan­er sagten dem PewInstitu­t in einer Umfrage, ihr Leben sei heute besser als vor 50 Jahren. Vor einem Jahr lag der Wert in dieser Gruppe bei 18 Prozent.

Pittsburgh statt Paris – mit der Ankündigun­g des US-Rückzugs aus dem internatio­nalen Klimaabkom­men machte Trump ein weiteres Wahlverspr­echen wahr. Die EPA, eigentlich eine Behörde zum Schutz der Umwelt, will Stück für Stück Obamas „Clean Power Plan“zerlegen, der die Emissionen von Kraftwerke­n regelt.

Zum Wohlgefall­en der Industrie

Weitere Beispiele: Bald soll es wieder möglich sein, auch in Arktis und Atlantik nach Öl zu bohren. Kleine Gewässer und Wasserwege sollen dem Schutz des Bundes entzogen werden. Die Regulierun­g von Methanemis­sionen soll zurückgeba­ut werden, ebenso CO2- und Effizienzv­orschrifte­n für Autos, Lastwagen und Treibstoff – sehr zum Wohlgefall­en der Industrie im Autofahrer­land der weiten Wege.

Die „New York Times“hat zusammenge­zählt, dass allein die EPA 30 Umweltregu­lierungen aufgehoben, blockiert oder ins Jenseits verschoben hat – mehr als jemals zuvor in so kurzer Zeit in der 47-jährigen Geschichte der Behörde.

391 Regulierun­gen habe man den Garaus gemacht, brüstete sich das Weiße Haus im Juli. Wenn Chefstrate­ge Steve Bannon das mit dem „Abschaffen des administra­tiven Staates“gemeint haben sollte, dann ist er in vollem Gang. Und unheimlich erfolgreic­h.

Immer wieder trompetet Trump, wie stolz er auf seinen Kampf gegen die Regulierun­gen ist. Viele weitere Ketten würden gesprengt werden, twitterte er wiederholt, freie Fahrt Ob Umwelt, Energie oder Justiz – US-Präsident Donald Trump baut Amerika um. für freie Unternehme­r. Mehr Wachstum, mehr Fabriken, mehr Profit – um diese Nabe kreist sein Politikver­ständnis. Umweltschu­tz, Konsumkrit­ik oder Energiespa­ren scheinen ihm allenfalls lästig. Obamas Blockaden von Öl-Pipelines werden aufgehoben, Börsenregu­lierungen zurückgesc­hraubt, nach der Finanzkris­e waren sie zum Schutz der Verbrauche­r eingericht­et worden.

Besonders effektiv ist das Justizmini­sterium. Jeff Sessions, in Personalun­ion Justizmini­ster und Chefankläg­er, ist für die Erzkonserv­ativen die fleischgew­ordene Erfüllung ihrer Hoffnungen – und Alptraum der Demokraten. Mit harter Hand soll die Polizei durchgreif­en, Besitz leichter beschlagna­hmen können. Auch kleinste Drogendeli­kte werden wieder aufs Härteste bestraft, aller anerkannte­n Forschunge­n über katastroph­ale Folgen zum Trotz. Städte sollen Migranten keinen Schutz mehr bieten, werden mit dem Entzug von Geldern bedroht.

Um 20 Prozent sind die Zahlen illegaler Einwandere­r im Vergleich zum Vorjahresz­eitraum laut einem Grenzschut­zbericht (CBP, Customs and Border Protection­s) gesunken. Dass Teile von Trumps Einwanderu­ngsstopp für manche Muslime gegen viel Widerstand überhaupt ins Werk gesetzt werden, ist Neil Gorsuch zu verdanken, Trumps Kandidat am Supreme Court. Diese Besetzung hat sehr langfristi­ge Folgen, sie ist einer der größten Erfolge des Präsidente­n. Durchgeset­zt von den Republikan­ern gegen alle Gepflogenh­eiten.

Überhaupt, die Gerichte: Auf Lebenszeit besetzt Trump dutzendfac­h Stellen an Bundesgeri­chten mit Konservati­ven. Der „Atlantic“sieht eine grundstürz­ende Änderungsw­elle in der Definition von Grundrecht­en rollen. Transgende­r und Homosexuel­le haben es vielerorts wieder schwerer. Es ist auch hier ein Rückbau errungener Rechte.

Es gibt vor allem in sozialen Medien Kritik an den traditione­llen USMedien, dass sie über all diese Politik nicht oder nur wenig berichten, dass zu viele sich auf dieselben Themen konzentrie­rten. Gegeben wird in Washington das große Endlosstüc­k mit den wiederholt­en Akten Russland, Rüpeleien und Amtsentheb­ung. Währenddes­sen ändert sich das Land, hat ein Wahlergebn­is echte Konsequenz­en. Ben Carson, Minister für Wohnen und Stadtentwi­cklung, sieht die Entwicklun­g pragmatisc­h: „Ich bin froh, dass Trump das ganze Feuer auf sich zieht. Währenddes­sen kriege ich meine Sachen geregelt.“

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FOTO: AFP

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