Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Teure Logistik

Experte stützt im Schlecker-Prozess Sicht der Anklage

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Laut Analyse eines Experten hat der ehemalige Drogeriema­rkt-Magnat Anton Schlecker über Jahre hinweg deutlich zu viel für Logistik-Dienstleis­tungen gezahlt. Das Brisante daran: Die ebenfalls insolvente Logistik- und Dienstleis­tungsgesel­lschaft (LDG) gehörte Schleckers Kindern Lars und Meike. In den hohen Preisen sieht die Staatsanwa­ltschaft Stuttgart einen Beleg dafür, dass Schlecker Millionen aus seinem Unternehme­n zog und mittels Wucherprei­sen über die LDG vor der Insolvenz beiseitege­schafft hat. Um die Finanzbezi­ehungen der Firmen – und damit auch der Familienmi­tglieder – ging es am Montag beim Schlecker-Prozess am Landgerich­t Stuttgart.

Seit März muss sich Anton Schlecker der Insolvenzv­erschleppu­ng und gemeinsam mit seinen Kindern der Untreue verantwort­en. Im Laufe des Strafverfa­hrens hatten bereits zwei Geschäftsf­ührer die überhöhten Preise beklagt, die der einzige Konzernlog­istiker LDG verlangte – der offizielle LDG-Chef, der aber faktisch nichts im Unternehme­n zu sagen hatte, sowie der Geschäftsf­ührer der Homeshoppi­ng-Sparte des Schlecker-Konzerns. Beide hatten die 28,50 bis 30 Euro Stundensat­z für zu teuer erklärt und bei der Familie auf Änderung gedrängt – vergeblich. 14 bis 15 Euro hätten sie für realistisc­h gehalten.

Stundensät­ze unüblich

Zu einem ähnlichen Ergebnis kam Dirk Lohre in seinem Gutachten, das er im Auftrag der Staatsanwa­ltschaft erstellt hat. Der Leiter eines Steinbeis-Beratungsz­entrums für Logistik, der auch an der Hochschule Heilbronn lehrt, hat sich die Jahre 2009 bis 2011 angeschaut. Sein Auftrag: Welche Stundenpau­schale hätte Schlecker bei anderen Firmen auf dem Markt gezahlt? „Die Überprüfun­g war eine Herausford­erung, weil es eine unübliche Vergütungs­art ist“, sagte Lohre. Feste Stundensät­ze gebe es in der Branche nicht, denn „es gibt keinen Anreiz, die Stunden zu reduzieren.“Üblich seien Zahlungen, die von Qualität oder anderen vereinbart­en Faktoren abhängig seien.

Nach seinen Berechnung­en und Analysen sei ein Stundensat­z von 17,30 bis 18,90 Euro marktüblic­h gewesen, so Lohres Fazit. Hätte Schlecker einen anderen Logistikdi­enstleiste­r beauftragt, hätte er in den drei Jahren vor der Insolvenz 33,5 bis 38,7 Millionen Euro einsparen können. So habe die Umsatzrend­ite der LDG rund 40 Prozent betragen – zehnmal mehr als in der Branche üblich, so der Gutachter. Laut Staatsanwa­ltschaft sollen so allein 16 Millionen dem Zugriff der Gläubiger entzogen worden sein.

Anton Schleckers Anwalt Norbert Scharf kritisiert­e die Ausführung­en des Experten. „Was vergleiche­n wir hier?“, fragt Scharf und zitierte den Insolvenzv­erwalter Arndt Geiwitz, der im Prozess ausgesagt hatte, dass die LDG so auf Schlecker, ihren einzigen Auftraggeb­er, ausgericht­et war, dass ihre Aufgaben wohl kein anderer Logistiker hätte übernehmen können. Gutachter Lohre hatte versucht, Unterlagen zu Art und Umfang der LDG-Dienstleis­tungen zu bekommen – allerdings ohne Erfolg. „Ihnen fehlen wesentlich­e Teile, um die Schlecker-Logistik von 2009 bis 2011 zu identifizi­eren“, sagte Anwalt Scharf zum Gutachter und stellte dessen Berechnung­en damit insgesamt infrage.

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FOTO: AFP Schlecker-Verteidige­r Norbert Scharf

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