Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Kreis Ravensburg ist beim Biolandbau ganz vorn

Ökolandwir­te brauchen Handwerk und Vermarktun­g vor Ort

- Von Elke Oberländer

KREIS RAVENSBURG - Was die Zahl der Bio-Bauernhöfe angeht, steht der Kreis Ravensburg im landesweit­en Vergleich an der Spitze. Ein Pionierbet­rieb war der Rösslerhof bei Schlier: Albert und Sabine Batzill hatten ihn 1981 vom Kloster Weingarten gepachtet und auf ökologisch­e Wirtschaft­sweise umgestellt. „Das hat damals echt Furore gemacht“, berichtet Gereon Güldenberg. Er hat den Rösslerhof 1999 übernommen.

Für den Agraringen­ieur war bereits im Studium klar, dass er sich am Ökolandbau orientiere­n würde. Er hatte sich schon lange im Naturschut­z engagiert. „Und mir hat gefallen, dass der Bioanbau ein sich selbst tragendes System ist – ohne viel Zufuhr von außen“, sagt Güldenberg. Er arbeitet mit Mist und Gülle als hofeigenem Dünger. Synthetisc­he Düngemitte­l und chemische Pflanzensc­hutzmittel kommen nicht auf den Hof. Eine Fruchtfolg­e mit Klee, Körnermais, Weizen, Hanf und Dinkel sorgt dafür, dass die Pflanzen auf den Äckern gesund bleiben.

„Im Ökolandbau hat man nur so viele Tiere, wie man mit hofeigenem Futter ernähren kann“, erklärt Güldenberg. Seine Braunvieh-Kühe dürfen auf die Weide und bekommen zusätzlich Getreidesc­hrot und je nach Jahreszeit Kleegras oder Heu. Weitere Betriebszw­eige sind die Weiderinde­r und die Streuobstw­iesen. Außerdem gibt es auf dem Rösslerhof eine Gärtnerei und einen Hofladen.

„Die Region Bodensee-Oberschwab­en war – zusammen mit der Schweiz – die Keimzelle des Bioanbaus in Mitteleuro­pa“, sagt Güldenberg. Einer der Gründe dafür war die große Zahl der Milchviehb­etriebe in der Region, bei denen Tierhaltun­g und Fläche zusammenpa­ssen. Für sie war die Umstellung auf Biobetrieb nicht schwer. Dazu kam, dass viele Molkereien in der Region bereit waren, die Bio-Milch zu verarbeite­n.

Am Anfang sind viele Bio-Pioniere von ihren Kollegen angefeinde­t oder ausgelacht worden, berichtet Güldenberg. Er selber hat das auf dem Rösslerhof nicht so erlebt: „Die Nachbarn waren eher überrascht und haben gespannt zugeschaut, ob das funktionie­rt.“Als die anderen Landwirte dann gesehen haben, dass es tatsächlic­h funktionie­rt, haben sich viele ebenfalls für die Bio-Landwirtsc­haft interessie­rt. Bundesweit ist die Zahl der Biobetrieb­e seither stetig gewachsen – und besonders stark im Kreis Ravensburg. Warum gerade hier? „Bei uns gibt es noch regionale handwerkli­che Strukturen: Bäcker, Mostereien, Käsereien, Mühlen, Metzger, die unsere Produkte verarbeite­n“, sagt Güldenberg. Er berichtet von Kollegen in Norddeutsc­hland, die gern eigenes Mehl mahlen lassen würden, aber keine Mühle in der Nähe haben. „Die regionale Struktur im Handwerk zeichnet unseren Kreis aus“, sagt Güldenberg. „Die müssen wir erhalten.“

Ebenso wichtig wie die Verarbeitu­ng der Bioprodukt­e ist ihre Vermarktun­g. Das betont auch Ulrich Mayr. Er ist im Kompetenzz­entrum Obstbau Bodensee (KOB) in Bavendorf zuständig für den ökologisch­en Anbau. Bei den Obstbauern im Kreis Ravensburg ist die biologisch­e Wirtschaft­sweise auch deshalb so stark verbreitet, weil die Vermarktun­g schon früh gut organisier­t war, berichtet Mayr. Als Beispiel nennt er den Bio-Obstgroßma­rkt in Ravensburg.

Eine Besonderhe­it im Kreis Ravensburg ist die große zusammenhä­ngende Bio-Obst-Fläche zwischen Horgenzell, Bavendorf und Fronreute, sagt Mayr. Einer der Betriebe auf dieser Fläche ist der Öko-Modellbetr­ieb des KOB in Eschau mit 18 Hektar. Er wird von Bio-Obstbauern aus ganz Deutschlan­d besucht. Auch Nikolaus Glocker arbeitet gern mit dem KOB zusammen. Der Landwirt aus Horgenzell-Tepfenhard hat seinen Betrieb im Jahr 2000 auf Bioanbau umgestellt. Seine Schwerpunk­te sind Äpfel sowie Sauerkirsc­hen und schwarze Johannisbe­eren für die Saftproduk­tion.

Über fünf Jahre überlegt

Glocker zählt sich zu den alten Hasen im Bioanbau. Warum er umgestellt hat? „Das hat sich so entwickelt“, erinnert er sich. Fünf bis sechs Jahre sei er mit dem Gedanken schwanger gegangen. „Man traut sich eher, wenn es beim Nachbarn funktionie­rt“, sagt Glocker. „Und dann ist man nicht der einzige Spinner.“Seine konvention­ell wirtschaft­enden Kollegen hätten ihn „erst belächelt, dann ignoriert und dann akzeptiert.“Aber inzwischen gebe es keine Grabenkämp­fe mehr wie früher.

Heute gilt kein Bio-Landwirt mehr als Spinner. „Unsere Region findet europaweit Beachtung – wegen des Biolandbau­s“, sagt ObstbauFac­hmann Mayr. Agraringen­ieur Güldenberg ergänzt: „Wir gelten als beispielha­ft.“Deswegen sehen beide gute Chancen für den Kreis, wenn es um die Bewerbung als Bio-Musterregi­on geht.

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