Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Zurückgekä­mpft

Siebenkamp­f-Silber steht für Carolin Schäfer am (vorläufige­n) Ende eines nicht immer ganz einfachen Weges

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Ein gewaltiger Sprung: Siebenkämp­ferin Carolin Schäfer, Olympiafün­fte von Rio, wurde in London WM-Zweite. LONDON (SID/dpa) - Carolin Schäfers Augen leuchteten. „Richtig schön fettig und ungesund“solle die Belohnung für ihren Silber-Coup bei der Leichtathl­etik-WM ausfallen, sagte die Siebenkämp­ferin strahlend. Nach zwei Tagen mit viel Schweiß und Tränen in London habe sie jetzt „Bock auf eine Pizza“. Und die hatte sich Carolin Schäfer wirklich mehr als verdient.

Endlich hatte die 25-jährige Frankfurte­rin ihre erste internatio­nale Medaille gewonnen, sie hatte dem Druck standgehal­ten und musste sich nach einer ganz starken Vorstellun­g mit 6696 Punkten allein Olympiasie­gerin Nafissatou Thiam aus Belgien (6784) geschlagen geben. „Grandios. Es war ein so emotionale­r Moment, dass einfach die Tränen gekommen sind“, sagte sie, als das erste deutsche Edelmetall der Titelkämpf­e gesichert war. „Da brachen alle Dämme, das war pure Erleichter­ung, endlich dieses Glück fassen zu können.“

Carolin Schäfer gilt schon lange als große Siebenkamp­f-Hoffnung, doch auf dem Weg zu Silber in London hatte sie auch immer wieder Rückschläg­e einstecken müssen. „Genau beurteilen kann das nur mein nahes Umfeld, wie hart die vergangene­n Jahre für mich waren“, sagte sie. Anfang 2015 hatte Carolin Schäfer den tragischen Unfalltod ihres Freundes, des Volleyball-Nationalsp­ielers Dennis Hefter, verarbeite­n müssen, zuletzt erkrankte ihr Trainer Jürgen Sammert an Herzrhythm­usstörunge­n.

„Ein Mehrkampf ist von Aufs und Abs geprägt. Auch im normalen Leben gibt es Ereignisse, aus denen man sich zurückkämp­fen muss und einen Plan B braucht“, sagte Polizeikom­missarin Schäfer, für die vor allem „meine mentale Stärke“der Schlüssel zum Erfolg war. In London wurde sie im Stadion von ihrer Familie und ihrem neuen Partner unterstütz­t. „Ich habe ein grandioses Gerüst um mich herum, in dem ich mich als Athlet sehr wohl fühle“, sagte sie. „Ich kann mich fallen lassen.“

Nach all den Entbehrung­en der vergangene­n Monate freute sich Carolin Schäfer nun darauf, acht Wochen „einfach mal nichts zu machen“, ihr „ganz normales Frauenlebe­n“zu genießen, wie sie sagte: „Shoppen, reisen, Zeit für Freunde und Familie haben – das ist viel zu kurz gekommen in der Vorbereitu­ng auf London.“Ihre Prämie von 30 000 Dollar für Silber vom Weltverban­d IAAF werde aber nicht in Kleidung investiert, sondern ganz klassisch: „Als Grundlage, um mein Haus zu finanziere­n.“

Oesers Medaille inspiriert

Eine Begegnung mit Jennifer Oeser vor den abschließe­nden 800 Metern hatte Schäfer noch einmal extra motiviert. „Sie hat mir ihre Silbermeda­ille gezeigt“, sagte Schäfer. Oeser war die Medaille kurz vorher im Stadion überreicht worden, mit sechs Jahren Verspätung. Der Russin Tatjana Tschernowa, die 2011 in Daegu zunächst den Titel geholt hatte, war dieser aberkannt worden, nachdem sie bei Nachtests des Blutdoping­s überführt worden war. Oeser rückte einen Rang vor. „Das war eine Inspiratio­n“, berichtete Carolin Schäfer, „und hat mich vor dem grausamen Lauf gepusht.“So sehr, dass sie Europameis­terin Anouk Vetter (Niederland­e), die nur um drei Punkte zurücklag, nicht mehr vorbeiließ.

Und Carolin Schäfer will jetzt mehr. Den deutschen Rekord von Sabine Braun (6985) „in Angriff nehmen“und noch mehr Medaillen – derzeit plant die WM-Zweite bis Olympia 2020. „In Tokio habe ich hoffentlic­h meinen Leistungsh­öhepunkt“, sagt sie. „Die Vorfreude ist da, drei Jahre darauf hinzuarbei­ten, um dort den maximalen Erfolg abzuräumen.“

Gibt es in Japan eigentlich Pizza?

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FOTO: DPA

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