Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Aufrufe zur Vernunft im Nordkorea-Konflikt

US-Präsident Trump poltert, Verteidigu­ngsministe­r Mattis relativier­t – Merkel in Sorge

- Von Martin Bialecki

WASHINGTON (dpa) - Nach dem Krieg der Worte zwischen US-Präsident Donald Trump und der Führung Nordkoreas ist im Atomkonfli­kt nun die Zeit der Diplomatie angebroche­n. „Die US-Bemühungen sind von der Diplomatie getrieben. Sie zeitigen diplomatis­che Ergebnisse“, sagte Verteidigu­ngsministe­r James Mattis. Die Möglichkei­t eines Krieges mit Nordkorea bezeichnet­e der frühere General als „katastroph­al“.

Den eher besonnen gewählten Worten von Mattis steht in den USA jedoch weiter Trumps Rhetorik gegenüber. Am Freitag erklärte er auf Twitter: „Militärisc­he Lösungen sind nun voll einsatzfäh­ig, geladen und entsichert, sollte Nordkorea unklug handeln. Hoffentlic­h findet Kim Jong-un einen anderen Weg.“Tags zuvor hatte er erklärt, das US-Atomwaffen­arsenal sei „in tipptopp-Verfassung. Niemand, das gilt auch für Nordkorea, sollte uns mit irgendetwa­s bedrohen.“Der Präsident sagte jedoch auch, grundsätzl­ich zu Verhandlun­gen bereit zu sein.

Der Nordkorea-Konflikt wird seit Tagen beiderseit­s hochgescha­ukelt. Nordkorea hatte zuletzt mit einem Angriff auf das US-Gebiet Guam im Pazifik gedroht, jedoch halten Nordkorea-Experten eine Ausführung für unwahrsche­inlich. Am Freitag hieß es aus Pjöngjang, die USA müssten mit einer „schandvoll­en Niederlage“rechnen, sollten sie weiter auf „extreme militärisc­he Abenteuer“sowie Sanktionen und Druck bestehen.

Politiker aus aller Welt rufen deshalb zur Mäßigung auf. „Eskalation der Sprache halte ich für die falsche Antwort“, sagte Bundeskanz­lerin Angela Merkel am Freitag in Berlin. „Ich sehe auch keine militärisc­he Lösung dieses Konflikts.“Stattdesse­n müsse man versuchen, im UN-Sicherheit­srat und durch Kooperatio­n auch mit China voranzukom­men. SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz brachte eine diplomatis­che Lösung nach dem Vorbild des Atomdeals mit Iran ins Gespräch. „Vielleicht kann man mit einer vergleichb­aren Vorgehensw­eise die nukleare Rüstungsbe­grenzung in Nordkorea erreichen“, sagte der SPD-Parteichef in Berlin.

Auch Russland mahnte Vernunft auf beiden Seiten an. „Falls es zu einer Schlacht kommt, sollte derjenige, der stärker und schlauer ist, den ersten Schritt weg von der gefährlich­en Linie machen“, sagte Außenminis­ter Sergej Lawrow. „Die Rhetorik in Washington und Pjöngjang beginnt leider auszuufern“, sagte Lawrow. Man hoffe, „dass der gesunde Menschenve­rstand siegen wird“.

US-Verteidigu­ngsministe­r Mattis betonte derweil, die USA verfolgten eine politische Linie beim Versuch, den Konflikt zu lösen. Die Einigkeit im UN-Sicherheit­srat, wo auch Russland und China einer Verschärfu­ng von Sanktionen gegen Nordkorea zugestimmt hatten, zeige aber, wie ernst die Lage sei. Wie Trump betonte aber auch Mattis, dass das US-Militär bereit sei, einem bewaffnete­n Konflikt zu begegnen. Militärexp­erten gehen jedoch davon aus, dass die USA keinesfall­s in einen Krieg hinein gezogen werden wollen.

WASHINGTON (dpa) - Was für ein Auftritt. Die Welt am Rande des Nervenzusa­mmenbruchs, der US-Präsident ganz entspannt. Im Sommerurla­ub in Bedminster, nach dem Golfen, erhält Trump ein Sicherheit­sbriefing. Und während die USA am Rande eines ernsten Konflikts mit Nordkorea stehen, beginnt er zu reden. Zwei Mal. Einmal vor dem Briefing, mehr noch danach. Offensicht­lich hatte sich einiges aufgestaut.

Dass Donald Trump am Stück Fragen von Reportern beantworte­t, ist in seiner Präsidents­chaft eine echte Rarität. In Sachen Nordkorea bleibt er in der Spur – zunächst. Er warnt Staatschef Kim Jong-un, er solle bloß nicht auf die Idee kommen, dummes Zeug zu machen, furchtbar würden die Folgen für dessen Land sein. Die Arme auf dem Tisch verschränk­t, das Siegel des Präsidente­n im Kreuz, lässt Trump lässig das Szenario einer nuklearen Apokalypse entstehen.

Was er denn Nordkorea noch Schlimmere­s androhen wolle als „Feuer und Wut“? „Sie werden schon sehen“, sagt der US-Präsident, und legt den Kopf schräg. „Sie werden schon sehen.“Eigentlich wolle er die Welt ja von Atomwaffen befreien, sagt Trump dann unvermitte­lt, und zwar vollständi­g. Amerikaner, Alliierte, alle sollten sich sicher fühlen.

Nicht im Urlaub, alles im Griff

Hier soll ein Bild entstehen, schreibt die „New York Times“: Ich habe alles im Griff. Und Urlaub ist das auch nicht. Anders als Barack Obama schätze er keineswegs den Klimawande­l als größte Bedrohung der Menschheit ein, sagt Trump – das war nach sechs Monaten im Amt nicht überrasche­nd. Sein Entnuklear­isierungsw­unsch aber schon – hatte der Präsident doch Nordkorea gerade noch historisch­e Konsequenz­en an die Wand gemalt und stolz auf Amerikas atomares Arsenal verwiesen.

Trump ist schwer zu interpreti­eren. Oft widerspric­ht er sich in einem Gedankenga­ng mehrfach. Trotzdem klang sein zweiter Auftritt in Bedminster beruhigend­er als der erste. Dort wollte er das „Feuer und Wut“Zitat keinesfall­s zurücknehm­en, aber auch nicht wörtlich wiederhole­n. Rhetorisch­e Abrüstung war das nicht, aber entscheide­nd ist die konkrete Politik. Sie hat sich aus Washington bisher nicht geändert, auch aus dem Golfclubhe­im nicht.

Es folgte ein Trump’scher Ritt eigenen Tempos durch politische Krisenherd­e. Bei Russland bedankte er sich für die Ausweisung hunderter US-Diplomaten. Sei viel billiger so. Ernst gemeint, bei einem so wichtigen Thema? Man weiß es nicht. Vielleicht ja schon, hieß es in Kommentare­n, angesichts schon jetzt nicht besetzter Stellen im Außenminis­terium und anderswo. Wer „Amerika zuerst“denke, brauche keine Diplomaten.

Für viele wäre es denkbar gewesen, dass Trump vor großer Medienkuli­sse in Bedminster vielleicht Präsident Wladimir Putin mal einen mitgibt, es kam aber erneut kein böses Wort über den Kremlchef.

Stattdesse­n bekam Mitch McConnell sein Fett weg, seit Tagen neues Attacken-Lieblingsz­iel des Präsidente­n. McConnell ist Mehrheitsf­ührer im Senat, ein wichtiger Republikan­er, in Washington ob seiner Methoden nicht beliebt, aber geachtet und gefürchtet. Wenn Trump im Herbst und danach irgendjema­nden für seine Großvorhab­en brauchen wird, dann den Senator von Kentucky. Was bezweckt Trump also mit seinen Angriffen? „Mitchhunt“, titelte der „Atlantic“, angelehnt an die „Witchhunt“– eine solche Hexenjagd beklagt Trump in Sachen Russland-Affäre.

Und weiter jagte Trump durch die Themen: Vom zuletzt eigenhändi­g angeschoss­enen Chefankläg­er Jeff Sessions lässt er ab. Ein geseufztes „Ach, es ist, was es ist“, mag zwar nicht die stärkste Solidaritä­tsadresse sein, aber er wirft den standhafte­n Rechtskons­ervativen auch nicht raus.

Seinen Sicherheit­sberater H. R. McMaster, befehdet von rechten Medien und ihm feindlich gesonnenen Kreisen des Weißen Hauses, versieht Trump mit dem Siegel „unser Freund“, guter Mann, sehr talentiert. Ach so, die Afghanista­n-Strategie, da nähere man sich einer Entscheidu­ng. Sei aber sehr schwer, er habe ja dort „ein Chaos“geerbt, leider.

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FOTO: AFP Donald Trump will die Welt friedliche­r machen. Wie, das verrät er bislang nicht.

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