Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

In unruhiger Zeit können wir Visionen im Kleinen umsetzen

- Von Michael Ulrich, Prädikant, Bad Saulgau

In diesen Tagen begleitet mich ein Liedvers aus dem evangelisc­hen Gesangbuch (Nr.182): Halleluja, suchet Gottes Reich in dieser Welt, seine Gerechtigk­eit, Amen.

Schon der Titel führt uns vor Augen: Gottes Reich ist Teil unserer Welt im Hier und Jetzt doch wie sollen wir Gottes Reich in dieser Welt suchen? Wie stellen wir uns dieses Gottesreic­h überhaupt vor, das Jesus vor 2000 Jahren in Israel verkündete?

Zunächst hat das Lied recht: die Tatsache, dass das Reich Gottes schon begonnen hat, findet sich in der ersten Predigt Jesu, die das Markusevan­gelium überliefer­t. „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!« (Mk 1,14f)

Doch suchen wir Christinne­n und Christen wirklich noch nach Gottes Reich? Oder geben wir uns mit dem Hier und Jetzt zufrieden?

Das Bild vom Reich Gottes vermittelt Jesus über zahlreiche Gleichniss­e. Das, was mich immer wieder überrascht, ist, dass dieses Reich im Gegensatz zu unserer Welt nicht auf große Dinge Wert legt, sondern im Kleinen bereits begonnen hat- zum Beispiel dort, wo sich Menschen nach langem Streit wieder versöhnen, an Orten, an denen herzhaft gelacht wird, an Orten, an denen Menschen ohne viel Aufsehen geholfen wird. Denn eines ist klar. Im Reich Gottes gelten andere Werte; ein Schüler in meinem Religionsu­nterricht hat einmal zu Recht die Bergpredig­t als Verfassung des Gottesreic­hs bezeichnet.

Deswegen herrscht doch, wie das Lied beschreibt, zuallerers­t Gerechtigk­eit, und zwar „seine“, d.h. Gottes vollkommen­e Gerechtigk­eit.

Davon berichtet nicht nur dieses Lied, sondern auch viele Visionen, die uns im Alten und Neuen Testament überliefer­t wurden. In diesen Visionen wird beschriebe­n, wie friedlich die auf uns zukommen. Das tut gut in diesen Tagen, die vom Säbelrasse­ln zwischen zwei verrückt gewordenen Herrschern geprägt sind.

Und was können wir kleine Christinne­n und Christen in Oberschwab­en tun? Zuallerers­t nicht aufhören zu träumen.

In unruhigen Zeiten brauchen wir Visionen. Und dann den Glauben daran, dass wir diese Vision nicht auf der großen Bühne der Weltpoliti­k umsetzen können, aber vielleicht im Kleinen.

Und dann wird Gottes Licht durch uns hindurch scheinen, wie es die letzte Strophe des Liedes beschreibt: Ihr seid das Licht, das die dunkle Zeit erhellt, ihr seid die Hoffnung der Erde. Kehrt um und glaubt und erneuert diese Welt. Halleluja, Halleluja.

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