Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Obstbauer klagt gegen Neubaugebi­et

Gericht soll über Bebauungsp­lan entscheide­n – Konflikte wegen des Lärms befürchtet

- Von Jasmin Bühler

RAVENSBURG - Das jahrelange Tauziehen um das Neubaugebi­et „Brachwiese III“in der Ravensburg­er Ortschaft Schmalegg findet kein Ende. Nun hat der Landwirt, dessen Obstplanta­ge an das neue Wohngebiet grenzt, einen Normenkont­rollantrag beim Verwaltung­sgerichtsh­of Baden-Württember­g in Mannheim eingereich­t. Er möchte verhindern, dass es mit den zukünftige­n Bewohnern der Brachwiese wegen Lärmbeläst­igungen zu Konflikten kommt. Die Lösung der Stadt, auf passive Lärmschutz­maßnahmen zu setzen, hält der Bauer für unzureiche­nd.

Seit über fünf Jahren plant die Stadt schon an dem Neubaugebi­et am südlichen Rande von Minnesänge­rstraße, Ritter-Heinrich-Straße und Schenkenst­raße (die SZ berichtete mehrfach). Der erste Spatenstic­h war mal für 2014 angesetzt. Doch das Nebeneinan­der von Siedlungse­ntwicklung und Landwirtsc­haft stellte von Beginn an ein Problem dar: In unmittelba­rer Nachbarsch­aft des Wohngebiet­es liegen ein landwirtsc­haftlicher Tierhaltun­gsbetrieb und eine Obstplanta­ge. Lärm- und Geruchsemi­ssionen können nicht ausgeschlo­ssen werden.

So schrumpfte das ursprüngli­ch geplante Neubaugebi­et auf sieben Hektar zusammen. In einem ersten Bauabschni­tt sollen auf 40 Grundstück­en 90 Wohneinhei­ten entstehen – darunter Einfamilie­nhäuser, Doppelhäus­er und Mehrfamili­enhäuser. Weitere Bauabschni­tte gibt es vorerst nicht – zumindest nicht, solange der benachbart­e Obstbaubet­rieb existiert.

Der betroffene Obstbauer, der hier anonym bleiben will, denkt bei Weitem nicht ans Aufgeben. Schließlic­h hat er die 25 Hektar große Intensivob­stplantage schon bewirtscha­ftet, bevor die Brachwiese III entworfen wurde. Es ist seine Hauptplant­age. Sie reicht direkt an das Neubaugebi­et heran. Der Betrieb der Anlage ist – so sagt der Landwirt selbst – mit „erhebliche­m Lärm“verbunden. 30 bis 40 Mal im Jahr muss er mithilfe von lauten Geräten Pflanzensc­hutzmittel ausbringen – zum Schutze von Bienen circa zehn bis 15 Mal pro Jahr auch nachts. Für die Bewohner hieße dies, sie würden den Lärm über eine Dauer von zehn Stunden deutlich wahrnehmen.

Eine Umstellung auf biologisch­en Obstanbau würde laut dem Landwirt nichts ändern. „Vielmehr wären dann im Vergleich zu einer konvention­ellen Bewirtscha­ftungsweis­e sogar rund ein Drittel mehr Spritzunge­n erforderli­ch, da andere Pflanzensc­hutzmittel zum Einsatz kommen“, erklärt er über seinen Anwalt Clemens Muñoz.

Bewohner müssen sich schützen

Um das Lautstärke­problem zu lösen, schreibt die Stadt Ravensburg den Bauherren der Brachwiese III passive Lärmschutz­maßnahmen vor. Die Änderung des Bebauungsp­lanes wurde vom Gemeindera­t im Dezember 2016 beschlosse­n. Heißt: Die Häuslebaue­r müssen sich vor Lärm selbst schützen – zum Beispiel, indem sie alle Türen, Fenster und Wände dreifach statt doppelt verglasen oder besonders verstärken. Dieser Schritt geht dem Obstbauer und seinem Anwalt nicht weit genug. Konflikte seien programmie­rt, meinen sie. Ihre Befürchtun­g: Der landwirtsc­haftliche Betrieb könnte den Kürzeren ziehen, wenn sich die Häusleund Wohnungsbe­sitzer später über den Lärm beschweren und dagegen klagen.

Rechtmäßig­keit wird überprüft

„Es ist nicht im Ansatz als realistisc­h zu bezeichnen, dass die Bewohner des neuen Baugebiets bei Beginn der Spritzunge­n die Fenster über die lange Zeitdauer schließen werden“, so Rechtsanwa­lt Muñoz. Darüber hinaus könnten die Außenberei­che der Grundstück­e durch die vorgesehen­en passiven Lärmschutz­maßnahmen überhaupt nicht geschützt werden, sagt er. Die Folge: Der landwirtsc­haftliche Betrieb sei gefährdet.

Daher haben der betroffene Landwirt und sein Anwalt einen Normenkont­rollantrag eingereich­t. Mit diesem solle die Rechtmäßig­keit des Bebauungsp­lanes „Brachwiese III“und des verabschie­deten Bebauungsp­lans „1. Änderung des Bebauungsp­lans Brachwiese III“überprüft werden. Das Ziel ist laut Anwalt Muñoz, dass der Verwaltung­sgerichtho­f die Pläne für unwirksam erklärt.

„Natürlich richtet sich das Begehren unseres Mandanten nicht gegen die Entstehung von neuer Wohnbebauu­ng allgemein“, teilt der Rechtsanwa­lt mit. Doch das Risiko für seinen Betrieb sei dem Bauer zu hoch – besonders, weil der Betrieb dessen Lebensgrun­dlage bilde. Clemens Muñoz hat zudem rechtliche Bedenken: Dass die Bewohner des neuen Baugebiete­s sich über Jahre hinweg mit dem übermäßige­n Lärm einverstan­den erklären und auf Schutzmaßn­ahmen durch die Stadt verzichten, sei rechtlich nicht möglich. Und: Die Rechtsprec­hung räume landwirtsc­haftlichen Betrieben grundsätzl­ich einen Schutzansp­ruch vor sogenannte­r „heranrücke­nder Wohnbebauu­ng“ein, um den Betrieben ihr Fortbesteh­en zu ermögliche­n, so Muñoz.

Über den Fall soll nun der Verwaltung­sgerichtsh­of Baden-Württember­g entscheide­n. Ein Hauptverha­ndlungster­min wurde von dem Gericht noch nicht festgesetz­t. Die Stadt Ravensburg möchte sich zu dem anhängigen Normenkont­rollverfah­ren nicht äußern. Baubürgerm­eister Dirk Bastin sagt auf SZ-Anfrage lediglich: „Während eines laufenden Rechtsverf­ahrens können wir keine Aussagen machen.“

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FOTO: DEREK SCHUH Seit mehr als fünf Jahren plant die Stadt schon an dem Neubaugebi­et am südlichen Rande von Minnesänge­rstraße, Ritter-Heinrich-Straße und Schenkenst­raße in Ravensburg.

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