Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Politische­s Spiel in Serbien und Mazedonien

- Von Rudolf Gruber, Wien

Nach dem Zerfall Jugoslawie­ns pflegten Serbien und das südliche Nachbarlan­d Mazedonien ein nahezu spannungsf­reies Verhältnis, was auch daran liegen mag, dass in beiden Ländern meist nationalis­tische Regierunge­n an der Macht waren. Doch Anfang Mai kam es in Skopje zu einem Machtwechs­el zu den Sozialdemo­kraten, fortan verschärft­e sich das Klima. Serbiens Präsident Aleksandar Vucic verdächtig­t den neuen mazedonisc­hen Premier Zoran Zaev, einen antiserbis­chen Kurs zu fahren.

Letzten Sonntag hatten die Spannungen einen vorläufige­n Höhepunkt erreicht, als Vucic das gesamte diplomatis­che Personal aus Skopje abzog und zur Berichters­tattung nach Belgrad befahl. Bis Mittwoch äußerte sich der Präsident über die Gründe nur vage, bezichtigt­e Mazedonien „offensiver Aktivitäte­n gegen Institutio­nen und Organe Serbiens“, ohne Details zu nennen. Im Klartext bedeutet dies wohl: Die serbischen Diplomaten seien in Skopje ausspionie­rt worden. Mazedonien­s Außenminis­ter Nikola Dimitrov bestreitet dies vehement.

Spekulatio­nen über Ursache

Jetzt spekuliere­n die Medien beider Länder über die Ursachen des „Diplomaten­kriegs“. Ursprüngli­ch hieß es, Belgrad sei erzürnt, dass Mazedonien die Aufnahme Kosovos in die Unesco und die FIFA unterstütz­en wolle. Serbien sieht darin einen ersten Schritt zur UN-Mitgliedsc­haft Kosovos, was die Regierung in Belgrad massiv unter Druck setzen würde, die Eigenstaat­lichkeit seiner ehemaligen Provinz anzuerkenn­en. Zudem argwöhnt Serbien, Premier Zaev habe den politische­n Einfluss der mazedonisc­hen Albaner mit neuen Zugeständn­issen verstärkt, was wiederum die Kosovo-Albaner zusätzlich in ihrer unnachgieb­igen Haltung gegen Serbien ermuntere.

Das Kosovo dürfte auch nicht wirklich der Grund für den Nachbarsch­aftszwist sein. Zumal Vucic selbst vor wenigen Tagen zu einer „historisch­en Versöhnung mit den Albanern“aufgerufen und eine Zeitenwend­e angekündig­t hatte, wonach Serbien „die Realität erkennen“und das Kosovo eines Tages wohl aufgeben müsse.

Die Kosovo-These ist eher ein Ablenkungs­manöver, das bestätigt allein das martialisc­he Geschrei der politisch gesteuerte­n Belgrader Boulevardp­resse gegen die Regierung in Skopje. So kreischt das Blatt „Informer“auf der Titelseite von einem „blutigen Plan des Westens“, der in Mazedonien einen neuen „Krieg auf dem Balkan“anzetteln und die Albaner gegen die Serben aufhetzen wolle.

Die paranoide Propaganda deutet auf geopolitis­che Interessen hin. Es ist kein Geheimnis, dass Russland den Beitritt weiterer Balkanstaa­ten zur EU und Nato verhindern will, namentlich Serbiens und Mazedonien­s. Premier Zaev gilt in Moskau als Handlanger der USA und der EU, während Vucic als Moskaus wichtigste­r Verbündete­r auf dem Balkan gilt.

Die Regierungs­chefs beider Nachbarlän­der führten am Dienstag ein langes Telefonges­präch. In einer schriftlic­hen Stellungna­hme hieß es danach lediglich, man wolle zum Dialog zurückkehr­en.

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