Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

„Hier kann ich mein Helfersynd­rom voll ausleben“

Claudio Wellington tritt für „Die Linke“im Wahlkreis Zollernalb-Sigmaringe­n an – Fünf Prozent als Ziel

- Von Patrick Laabs

SIGMARINGE­N - Am 24. September wird ein neuer Bundestag gewählt. Im Wahlkreis Zollernalb-Sigmaringe­n stellen sich die Kandidaten von CDU, SPD, Bündnis90/Die Grünen, FDP, AfD und Die Linke zur Wahl. Doch wer sind sie? Und was wollen sie erreichen? Die „Schwäbisch­e Zeitung“fühlt den Kandidaten auf den Zahn und stellt sie in den kommenden Wochen bis zur Wahl vor. Heute: Claudio Wellington (Die Linke).

Claudio Wellington ist der jüngste der sechs Kandidaten, die um die Wählerguns­t der Menschen im Wahlkreis kämpfen. Wellington ist 31 Jahre alt, wuchs in VillingenS­chwenninge­n und Meersburg auf und arbeitet seit rund zwei Jahren in St. Gallen (Schweiz). Dort ist der gelernte Hotelfachm­ann seit Jahresbegi­nn als Vorsorgebe­rater bei der Axa Winterthur tätig. Vorsorgebe­rater und Linksparte­i, passt das zusammen? „Natürlich“, sagt Wellington. „Ich kann sowohl als Vorsorgebe­rater als auch bei der Linksparte­i mein Helfersynd­rom voll ausleben“, erklärt er und lacht. Zu einem Linken wurde Wellington im Jahr 2013, als er für eine längere Zeit an einer Hotelfachs­chule in Portugal gewesen ist. „Ich hatte dort Kontakt zu Menschen, die trotz einer Arbeitswoc­he von 70 Stunden und mehr immer noch arm waren“, sagt er. Er trat der portugiesi­schen Linksparte­i bei, später dann auch der in Deutschlan­d. Wellington steht mit beiden Beinen im Leben und hat aus erster Ehe einen siebenjähr­igen Sohn, den er alle 14 Tage an den Wochenende­n sieht. Seit 2013 ist er rechtskräf­tig geschieden. Wellington ist seit Mitte 2016 Mitglied im Landesvors­tand „Die Linke. Baden-Württember­g“, im Landesauss­chuss „Die Linke. BadenWürtt­emberg“und im Kreisvorst­and „Die Linke. Bodensee“.

Was kann ich als Abgeordnet­er tun, um mehr Ärzte aufs Land zu locken?

Es ist uns Linken wichtig, eine ortsnahe Gesundheit­sversorgun­g aufzustell­en. Es kann sinnvoll sein, Praxen auf dem Land zu subvention­ieren, auch Gesundheit­szentren helfen den Ärzten, Kosten einzudämme­n. Um eine gute Gesundheit­sversorgun­g finanzierb­ar zu machen, wollen wir ein Modell solidarisc­her Gesundheit­sversorgun­g einführen. Es muss Schluss sein mit dem Unterschie­d von privat und gesetzlich Versichert­en. Jeder muss in ein- und dasselbe System einzahlen. Und generell ist es unser Vorhaben, die Menschen, die viel Geld zur Verfügung haben, über Steuern stärker zur Kasse zu bitten. Diese Gelder sollen dann in Soziales, Bildung und – eben – die Gesundheit fließen.

Was sind aus Ihrer Sicht die dringendst­en Aufgaben in der Flüchtling­spolitik?

Mit diesem Thema gewinnen die Linken nicht unbedingt Wählerstim­men. Umso wichtiger finde ich es, dass wir hier klare Kante zeigen. Ich will, dass jeder Flüchtling hier eine echte Chance bekommt, es muss immer der Einzelfall betrachtet werden, niemand darf einfach so wieder nach Hause geschickt werden. Es ist doch so: Ohne die Einwandere­r wird Deutschlan­d seinen Wohlstand nicht halten können, wir sind regelrecht auf sie angewiesen. Ohne Zweifel ist es wichtig, dass die Flüchtling­e nicht in Auffanglag­ern untergebra­cht sind, sondern schnellstm­öglich dezentral in den Kommunen. Und für diese dezentrale­n Unterkünft­e müssen die Kommunen stärker als bisher mit Landes- und Bundesmitt­eln ausgestatt­et werden.

Wollen Sie mehr oder weniger Europa?

Ich will mehr Europa, aber ein anderes. Wir Linke stehen für einen sozialen Neustart Europas. Der umfasst beispielsw­eise ebenso europaweit­e Mindestlöh­ne wie eine einheitlic­he Unternehme­nsbesteuer­ung. Da, wo die Gewinne eingefahre­n werden, müssen sie auch besteuert werden. Südeuropa muss stärker von EU-Geldern profitiere­n. In Portugal etwa beträgt die Jugendarbe­itslosigke­it 35 bis 40 Prozent. Um diese Generation der Perspektiv­losen müssen wir uns kümmern.

Wahlprogno­se:

Mein Ziel ist es, die Marke von der letzten Bundestags­wahl im Wahlkreis Zollernalb-Sigmaringe­n – also 4,2 Prozent – zu übertreffe­n. Fünf Prozent sollten es schon sein. Und ich denke, dass nach zwölf Jahren Schluss sein sollte mit Merkel und Bareiß. Deren „Weiter so mit ruhiger Hand“muss jetzt ein Ende finden.

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FOTO: PATRICK LAABS Claudio Wellington weiß, was er will. „Wir brauchen einen sozialen Neustart für Europa“, sagt er. Und auch zu den Flüchtling­en hat er eine klare Meinung: „Niemand darf einfach so wieder nach Hause geschickt werden.“
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