Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Messingnetze für die Fischzucht
Die Ulmer Wieland-Gruppe will in das Geschäft mit Aquakulturen vorstoßen
STUTTGART - Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) kann sich Fischzucht auch im Bodensee vorstellen. Als er seine Pläne vor über einem Jahr kundtat sorgte das kurz für Aufsehen. Seitdem ist es darum wieder still geworden. Der Metallverarbeiter Wieland-Werke AG mit Sitz in Ulm will nun in die Nische vorstoßen und hat zusammen mit einem norwegischen Partner ein Gemeinschaftsunternehmen gegründet, um in das Geschäft mit Netzen für Aquakulturen vorzustoßen.
Doch das Schwäbische Meer vor der Haustür hat das Familienunternehmen nicht im Blick, sondern andere Regionen der Welt. Denn die Nachfrage nach Fisch steigt kontinuierlich. Schon heute sind auf der ganzen Welt zahlreiche Bestände überfischt. Aquakulturen, die unter anderem in größerem Ausmaß vor den Küsten von China, Vietnam oder Norwegen zu finden sind, können eine Lösung sein. Bislang werden in den Zuchtanlagen Nylonkäfige eingesetzt. Der Metallverarbeiter setzt auf Messingnetze. Sie seien haltbarer und gingen bei Stürmen nicht so schnell kaputt, sagt der seit 1. April 2017 amtierende Vorstandsvorsitzende Erwin Mayr.
Außerdem bleibe Messing von Natur aus sauber und die Netze würden nicht mit Algen zuwachsen. Dadurch reduziere sich der Reinigungsaufwand. Zur Vermarktung der Systeme sei mit der norwegischen Firma Lerow AS ein Gemeinschaftsunternehmen gegründet worden, an dem das Familienunternehmen die Mehrheit halte. Das skandinavische Land und China seien die größten Märkte für maritime Fischzucht.
Wieland will diese AquakulturKäfig-Systeme künftig komplett vermarkten und bietet deshalb auch Leasing in dem Bereich an. „Wir betreuen die Netze“, sagt der 48 Jahre alte Manager, der der erste Vorstandsvorsitzende in der fast 200jährigen Unternehmensgeschichte ist, der von außen kommt. Das Angebot solle schrittweise auf der ganzen Welt ausgerollt werden. Es gebe auch schon Gespräche mit Interessenten in Vietnam. Die Wachstumsraten des Marktes für eine kontrollierte Aufzucht von Fischen beziffert Mayr auf rund sieben Prozent pro Jahr. Der Bereich wird für das Unternehmen, das mehrheitlich der Schwenk-Gruppe gehört, auf längere Zeit aber eher ein Nischenmarkt bleiben. Die KäfigSysteme sollen hier in Deutschland produziert werden. Dazu wird am Standort Vöhringen in eine neue Webanlage mit einer Webbreite von bis zu zwölf Metern investiert. Mayr, der von Haus aus promovierter Physiker ist und in Ulm studiert hat, setzt bei dem Spezialisten für Halbfabrikate aus Kupfer und Kupferlegierungen in den kommenden Jahren unter anderem auf das Thema Elektromobilität. Das werde in den nächsten 15 Jahren für die Kupferindustrie ein Wachstumstreiber sein, sagt er. Enthalte ein konventionelles Fahrzeug bislang zwischen 25 und 30 Kilogramm Kupfer in Form von Drähten und Steckverbindungen, so steige der Anteil beim reinen Elektroauto auf 75 bis 100 Kilogramm an. Wieland setzt dabei nicht auf Drähte, sondern beispielsweise auf Kupferrotoren im Elektromotor oder Steckverbindungen. Auch bei den Ladestationen seien Steckverbindungen notwendig. Bislang macht die Elektromobilität einen „niedrigen einstelligen Prozentbereich“am Gesamtumsatz aus. Es ist also noch reichlich Luft nach oben.
Das Wieland-Portfolio umfasst Bänder, Bleche, Rohre, Stangen, Drähte und Profile sowie Rippenrohre und Wärmeüberträger, Gleitlager und Systembauteile. Der Gesamtabsatz hatte sich im Geschäftsjahr 2015/ 16 (30. September) um knapp fünf Prozent auf 464 000 Tonnen erhöht. Das Unternehmen mit einer Eigenkapitalquote von rund 50 Prozent setzte im vergangenen Geschäftsjahr mit 6650 Beschäftigten 2,55 Milliarden Euro um und verdiente netto 68 Millionen Euro. Das nun zu Ende gehende Geschäftsjahr 2016/2017 sei operativ gut gelaufen. Die Auftragseingänge hätten sich in einem niedrigen zweistelligen Bereich bewegt. Es werde ein sehr gutes Ergebnis erwartet, sagt Mayr, ohne konkrete Zahlen zu nennen.
Knapp 80 Prozent der Erlöse macht das Unternehmen bislang in Europa, jeweils zehn Prozent in Asien und Nordamerika. Vor allem Amerika ist ein interessanter Markt. Dort hatte die Wieland-Gruppe im Mai die Aktivitäten von Wolverine Tube mit Sitz im Bundesstaat Alabama übernommen. Den Kaufpreis wollte Mayr nicht nennen. Er betont aber, dass dies mit eigenen Mitteln gestemmt worden sei. Dabei ging es um das amerikanische Geschäft mit Hochleistungsrohren aus Kupfer sowie Kupfer und Stahllegierungen. Mit dem Zukauf des Hauptwettbewerbers soll die Marktposition vor Ort ausgebaut werden. Die Firmen sind sich nicht fremd: Bereits seit 2008 ist Wieland an der chinesischen Tochter von Wolverine beteiligt. Und 2010 gründeten Wolverine und Wieland ein Gemeinschaftsunternehmen für die Entwicklung von Wärmeübertragungstechnologien. Nun sei die Akquisition komplett.