Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Müller spielt immer – nur noch bei Löw
Bundestrainer ruft „härtesten Konkurrenzkampf“aus – Angreifer dürfte aber gesetzt sein
STUTTGART (SID/dpa/sz) - Thomas Müller ließ sich noch zu einem gemeinsamen Foto mit einem stolzen Papa und dessen Baby überreden, bevor er ins DFB-Teamhotel am Stuttgarter Schlosspark abdrehte. Für die Reporter gab es noch schnell einen kurzen Gruß. Noch einmal reden über seine missliche Lage beim FC Bayern? Zunächst nur mit Joachim Löw.
Beim Bundestrainer genießt Müller nach wie vor höchstes Vertrauen – anders als bei seinem Clubcoach Carlo Ancelotti. „Ich weiß nicht genau, welche Qualitäten der Trainer sehen will. Aber meine sind scheinbar nicht hundertprozentig gefragt“, hatte Müller nach seinem Kurzeinsatz am Samstag in Bremen in dessen Richtung gesagt. Worte, die noch nachhallen.
„Ich weiß nicht, ob er Selbstvertrauen tanken muss. Er hat jetzt bei Bayern einmal nicht von Anfang an gespielt, okay. Aber bei uns hat er ja immer seine Leistungen gezeigt“, unterstrich Löw am Dienstag. Und weiter: „Er ist ein unheimlich positiver Faktor in unserem Team, ein Führungsspieler. Ich weiß, was Thomas Müller bei uns immer leistet.“Und für das WM-Qualifikationsspiel am Freitag in Prag gesetzt.
Löw hat am Dienstag eigentlich fürs WM-Jahr den „härtesten Konkurrenzkampf“unter seiner Ägide ausgerufen. „Eine Mannschaft, die sich weiterentwickeln will, braucht unbedingt den Konkurrenzkampf “, erklärte er, „wenn man das Turnier als amtierender Weltmeister wieder gewinnen will, dann brauchst du von jedem Einzelnen eine super Performance.“Der „Stuttgarter Zeitung“hatte er zuvor gesagt: „Am Ende gibt es 23 Plätze im WM-Kader. Daher wissen auch die etablierten Spieler: Sie müssen immer an ihrem Leistungslimit spielen, um in der Mannschaft zu bleiben.“
Natürlich wird auch Thomas Müller seine Leistung bringen müssen, einen Freifahrtschein wird es für den Angreifer nicht geben. Aber die DFB-Elf ist für ihn seit jeher eine Wohlfühloase, mit fünf Toren und vier Vorlagen bei nur fünf Einsätzen ist der 27-Jährige mit Abstand erfolgreichster deutscher Offensivspieler in der WM-Qualifikation. „Er ist von seiner Art und Weise, Fußball zu spielen, einzigartig im Weltfußball“, sagte Müllers DFB-Kollege Sami Khedira der „Bild“.
Als Identifikationsfigur gefragt
Auch der Bundestrainer, ohnehin geübt in der Kunst, im Club schwächelnde Nationalspieler im vertrauten DFB-Kreis wieder aufzubauen, dürfte das ähnlich sehen. Müller brauche einen Trainer, „der ihn in seiner Elf haben will, dann wird ihn Müller nicht enttäuschen“, sagte Rekordnationalspieler Lothar Matthäus dem „kicker“. Löw will den Gaudiburschen vom Ammersee in seiner Elf haben, Ancelotti jedoch tut sich zunehmend schwer, in seiner Offensive unter all den internationalen Topstars einen Platz für den Urbayern zu finden. In James Rodriguez hat er zudem einen weiteren Konkurrenten für Müller an die Isar geholt. Wenn der Kolumbianer wieder fit ist, wird es für Müller noch schwerer.
Die Bosse des FC Bayern München schätzen den Oberbayern Müller als Identifikationsfigur für die Fans. Müller ist noch wichtiger geworden, seit die Eigengewächse Bastian Schweinsteiger, Philipp Lahm und Holger Badstuber den Club verlassen haben. „Bayern braucht Thomas Müller“, betonte der frühere FCB-Coach Ottmar Hitzfeld in der Münchner „tz“– und die Zahlen belegen dies.
In den vergangenen drei Spielzeiten holte der FC Bayern mit Müller in der Startelf zwischen 2,48 und 2,7 Punkten pro Spiel, ohne ihn nur 1,5 bis 2,22. Dennoch stand er seit dem Abschied seines Entdeckers Louis van Gaal immer seltener in der Startelf: Der Niederländer schenkte ihm noch in 89 Prozent der Spiele sein Vertrauen, Pep Guardiola in 77, Ancelotti in 72. „Müller spielt immer“– dieses Credo von van Gaal gilt jedoch nur noch bei Löw.
U21-Europameister Serge Gnabry verpasste wegen einer Sprunggelenkverletzung am linken Fuß das erste Training der DFB-Elf in Stuttgart. Ob der Hoffenheimer rechtzeitg fit wird, ist offen.