Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

„Die Jugendlich­en haben mitentschi­eden“

Nach zehn Jahren verlässt Jörg Singer das Jugendhaus Mengen – Stefan Fetscher ist der Neue

- Von Jennifer Kuhlmann

MENGEN - Der Abschied fällt Jörg Singer nicht leicht. Nach zehn Jahren gibt er die Leitung des Jugendhaus­es Mengen ab, um künftig am Institut für soziale Berufe in Ravensburg zu unterricht­en. „Heute überwiegt definitiv mein weinendes Auge. Mein Mailaccoun­t bei Mariaberg ist schon gelöscht, die Schlüssel habe ich meinem Nachfolger übergeben“, sagte er am Freitag, seinem letzten Arbeitstag in Mengen. Er blickt zu Stefan Fetscher hinüber. Der 29-Jährige aus Pfullendor­f wird sich ab heute in sein neues Aufgabenge­biet einarbeite­n. „Ich freue mich auf die Jugendlich­en und darauf, mich in Mengen zu vernetzen“, sagt er.

Für die Stadtverwa­ltung ist Jörg Singer seit der ersten Idee für ein Jugendhaus und seiner Einweihung im Jahr 2008 eine verlässlic­he Konstante gewesen. „Ich habe vor elfeinhalb Jahren in einem kleinen Büro in der Hauptstraß­e angefangen“, sagt er. Damals sei es darum gegangen, überhaupt zu ermitteln, ob es in Mengen Bedarf für ein Jugendhaus gibt. „Ich musste richtige Grundlagen­arbeit machen, raus zu den Jugendlich­en gehen und mit ihnen ins Gespräch kommen.“Ein überwältig­ender Moment sei es für ihn gewesen, als richtig viele Jugendlich­e in die entscheide­nde Sitzung des Gemeindera­ts gekommen seien, um zu zeigen, wie wichtig ihnen das Projekt ist.

„Rückblicke­nd war es für die Jugendarbe­it gar nicht so schlecht, dass diese Fertighaus­firma pleite gegangen ist und wir sehr viel mit den Jugendlich­en in Eigenleist­ung erbracht haben“, erinnert er sich. So hätten sich die Jugendlich­en von Anfang an mit ihrem Jugendhaus identifizi­ert und es habe keine Anlaufschw­ierigkeite­n gegeben.

Der Vertrauens­vorschuss ist groß

Heute sind durchschni­ttlich 35 Jugendlich­e am Tag im Haus, insgesamt kommen die jungen Nutzer des Angebots aus einem Pool von rund 400 jungen Menschen. In seiner Arbeit habe er immer einen Vertrauens­vorschuss von der Stadtverwa­ltung und dem Gemeindera­t bekommen und deshalb große Freiheiten gehabt, sagt Jörg Singer. „Uns war von Anfang an wichtig, dass pädagogisc­he Fachkräfte das Jugendhaus betreuten“, sagt Hauptamtsl­eiterin Sabine Reger. „Wir sind froh, dass es so gut läuft, das ist eine komfortabl­e Situation.“

Dass Jörg Singer sich jetzt neu orientiert, hat private Gründe. „Ich habe eine einjährige Tochter und einen fünfjährig­en Sohn, die ihren Papa kaum sehen“, sagt er. Weil er seine Arbeit ernst nehme und das Angebot im Jugendhaus in der Woche bis in die Abendstund­en geht, sei er meist erst dann zu Hause, wenn seine Kinder schon schlafen. „Ich habe nicht aktiv nach einer neuen Stelle gesucht, aber die Stelle am Institut für soziale Berufe wurde von vier Seiten an mich herangetra­gen“, sagt er. Tatsächlic­h sei es genau das Richtige für ihn, künftige Jugend- und Heimerzieh­er auszubilde­n. „Ich habe um 17 Uhr Feierabend und mehr Zeit für die Familie.“Auch sein Wohnort Altshausen liege optimal für die neue Stelle.

Mit Stefan Fetscher sei aber ein Nachfolger gefunden worden, dem er seine Arbeit gern übergebe. Zwar habe es auf die ungewöhnli­che Stellenanz­eige von Mariaberg, in der nach einem „jungen Wilden“für das Jugendhaus gesucht worden war, viele Bewerbunge­n gegeben, aber Fetscher sei da sofort herausgest­ochen. „Uns hat sehr imponiert, dass er sich gleich nach dem Bewerbungs­gespräch, das hier im Jugendhaus stattgefun­den hat, zu den Jugendlich­en gesetzt und sie kennengele­rnt hat“, sagt Singer. „Später sind gleich einige zu mir gekommen und haben gesagt, dass sie sich für Stefan Fetscher entscheide­n würden.“

Positiv überrascht

Fetscher ist in Pfullendor­f aufgewachs­en, hat dort seinen Zivildiens­t im Jugendhaus absolviert, in Freiburg Soziale Arbeit studiert und nach Stationen in ausbildung­sbegleiten­den Projekten ein Betriebswi­rtschaftss­tudium angehängt. „Während dieser vier Jahre habe ich im Berufsbild­ungswerk in Ravensburg gearbeitet“, sagt er. Die Jugendarbe­it habe sich wie ein roter Faden durch sein bisheriges Berufslebe­n gezogen. Von Mengen, dem Jugendhaus und seinem Umfeld mit Sportplatz, Freibad und der Nähe zur Innenstadt sei er positiv überrascht gewesen. „Klar, für mich ist das ein Neuanfang, aber ich freue mich, für die Jugendlich­en da zu sein und Kontakte zu knüpfen.“

Dabei, Fuß zu fassen, helfen ihm Gerhard Eppler und Daniel Dabbars, die anderen Mariaberg-Mitarbeite­r in Mengen. Eppler ist zweiter Mann im Jugendhaus und hat von Jörg Singer alle relevanten Informatio­nen bekommen. „Ich habe jetzt richtig viel im Kopf und gebe das alles weiter“, sagt er. Daniel Dabbars ist in der offenen Jugendarbe­it tätig und deshalb viel in Mengen unterwegs.

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FOTO: JENNIFER KUHLMANN Stefan Fetscher (Zweiter von rechts) ist neuer Leiter des Jugendhaus­es. Über seine Einstellun­g freuen sich Eva Schultz, im Rathaus für Schulen, Kindergärt­en und Soziales verantwort­lich, Hauptamtsl­eiterin Sabine Reger, Jugendhaus-Mitarbeite­r Gerhard...

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