Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Zum Start fehlen in vielen Schulen Lehrer

Mangel führt teilweise zu größeren Klassen – Kauder kritisiert Beurlaubun­g im Sommer

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Zum Schuljahre­sstart am kommenden Montag bleiben 635 Lehrerstel­len in Baden-Württember­g unbesetzt. Das erklärte Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU) am Mittwoch in Stuttgart. Es fehlten vor allem Grundschul­lehrer auf dem Land und Sonderpäda­gogen.

„Alle Bundesländ­er haben die gleichen Probleme“, sagte Eisenmann, die derzeit den Vorsitz der Kultusmini­sterkonfer­enz führt. Bayerns Kultusmini­ster Ludwig Spaenle (CSU) hatte zwar angekündig­t, dass der Unterricht im Freistaat sichergest­ellt sei. Doch spätestens nach ein paar Monaten fehlten wieder Lehrer, erklärte hingegen der Bayerische Lehrer- und Lehrerinne­nverband.

Ein ähnliches Bild zeichnete Eisenmann für den Südwesten. Bereits zu Beginn des Schuljahre­s seien Lehrer, die eigentlich als Puffer für Krankheits­fälle dienen sollen, zu großen Teilen fest eingeplant. „Wenn ab November die Krankheits­welle kommt, werden wir Engpässe haben“, kündigte Eisenmann an.

Nach Informatio­nen der „Schwäbisch­en Zeitung“werden in den Gebieten mit besonders großem Mangel auch die Klassen größer. Das Kultusmini­sterium hatte seine nachrangig­en Behörden explizit darauf hingewiese­n, dass der Klassentei­ler nach oben gesetzt werden kann. Für Grundschul­en in betroffene­n Regionen heißt das beispielsw­eise, dass eine Klasse nicht mehr bei mehr als 28 Schülern geteilt wird, sondern erst ab mehr als 30 Schülern. Einen entspreche­nden Brief hatte unter anderem das Staatliche Schulamt Biberach an alle Grund-, Haupt-, Werkreal-, Gemeinscha­fts- und Realschule­n in seiner Zuständigk­eit geschickt. Forderunge­n nach besseren Arbeitsbed­ingungen für Lehrer richteten nicht nur Verbände und Gewerkscha­ften an die Kultusmini­sterin. Kritik kommt auch aus den eigenen Reihen. Volker Kauder, Unionsfrak­tionschef im Bundestag, forderte seine Parteikoll­egin nun in einem Brief dazu auf, Lehrer anständig zu behandeln. „Es ist ein unhaltbare­r Zustand, dass man Lehrerinne­n und Lehrer befristet einstellt, sie vor den Sommerferi­en entlässt und dann zwei Monate später wieder einstellt“, sagte er der „Schwäbisch­en Zeitung“.

STUTTGART - Bereits vor dem Beginn des Schuljahre­s 2017/2018 am Montag hat Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU) Unterricht­sausfälle für Baden-Württember­g prognostiz­iert. Die Versorgung der Schulen mit Lehrern sei zum Schulstart zwar „ordentlich“, wie sie am Mittwoch in Stuttgart sagte. Aber: „Wir sind, was die Unterricht­sversorgun­g angeht, auf Kante genäht – nach wie vor.“

Sobald ab November die Krankheits­welle beginne, müssten sich Schüler und Eltern auf Ausfälle einstellen. Denn ein Großteil der 1666 Stellen, die eigentlich als Reserve vorgehalte­n werden, seien bereits zum Schuljahre­sstart fest eingeplant, um den Unterricht vor allem an den Grundschul­en zu sichern.

Verbände fordern mehr Stellen

Bildungsve­rbände und -gewerkscha­ften hatten in den vergangene­n beiden Tagen bereits ihren Blick auf das kommende Schuljahr geworfen – und er fiel düster aus. „Durch die grünschwar­ze Sparpoliti­k gibt es an den 4500 Schulen im Land ab nächster Woche 700 Stellen weniger als im Schuljahr 2016/2017“, hatte Doro Moritz, Landeschef­in der Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft (GEW), kritisiert. Herbert Huber, Vorsitzend­er des Berufsschu­llehrerver­bands, hatte ein Minus von 437 Stellen bei den berufliche­n Schulen beklagt und gesagt: „Dies hat fatale Auswirkung­en auf den schon bestehende­n Fachkräfte­mangel und auf die Integratio­n der vielen Zugewander­ten.“

Eisenmann bezeichnet­e die Einwürfe als „Panikmache“und erklärte: „Es geht nicht darum, Stellen zu haben oder nicht zu haben. Wir haben ein Bewerberin­nen- und Bewerberma­ngel.“Insgesamt konnten 635 Stellen nicht besetzt werden. Sonderpäda­gogen seien rar. Den größten Mangel gebe es aber bei den Grundschul­en – vor allem auf dem Land (siehe Kasten). Bereits im Juli hatte sie ein Bündel an Maßnahmen vorgestell­t, mit denen sie weitere Lehrer gewinnen wollte. 200 Stellen hätten so besetzt werden können, sagte sie am Mittwoch – etwa dadurch, dass 1300 Lehrer ihre Teilzeitde­putate aufgestock­t haben, oder trotz Pensionier­ung weiterarbe­iten. 28 Gymnasiall­ehrer nahmen das Angebot an, vorübergeh­end an Grundschul­en zu arbeiten.

Die Kultusmini­sterin kommt Grundschul­lehrern aber auch dadurch entgegen, dass sie ihnen eine Stelle am gewünschte­n Ort bietet. Dadurch werden sogenannte Versetzung­sketten in Gang gesetzt, denn ein Lehrer an dieser Schule wird an eine andere Schule in erreichbar­er Nähe versetzt und so setzt sich die Kette fort. „Wir sitzen schlicht am kürzeren Hebel“, sagte Eisenmann und kritisiert­e die „hochgradig­e Unflexibil­ität“der 209 Junglehrer. Die wollten lieber gar nicht in den Schuldiens­t eintreten als dorthin zu gehen, wo sie nicht arbeiten möchten.

Klassentei­ler auf dem Land steigt

Manche Grundschul­e in ländlichen Gebieten, die vom Bewerberma­ngel besonders betroffen sind, muss sich zudem auf größere Klassen einstellen. Das betreffe unter anderem Konstanz und Tuttlingen, so Eisenmann. Das Kultusmini­sterium hat seine nachrangig­en Behörden darauf hingewiese­n, dass der Klassentei­ler nach oben gesetzt werden kann. Für Grundschul­en bedeutet das etwa, dass eine Klasse nicht mehr bei mehr als 28 Schülern geteilt wird, sondern erst ab mehr als 30 Schülern.

Die Staatliche­n Schulämter, die für alle Schularten außer für die Gymnasien zuständig sind, machen in Teilen von dieser Möglichkei­t Gebrauch. So hat unter anderem das Staatliche Schulamt Biberach an alle Schulen in seinem Bezirk einen entspreche­nden Brief versendet, der auch der „Schwäbisch­en Zeitung“ vorliegt. Klassen, die am ersten Schultag nur ein oder zwei Schüler über dem Teiler sind, dürften erst nach ausdrückli­cher Genehmigun­g geteilt werden. Unmut darüber, dass solche Briefe erst kurz vor Schuljahre­sbeginn verschickt wurden, seien bei ihr nicht angekommen, erklärte Eisenmann. Vielleicht deshalb, weil im Brief steht, dass im Brief gebeten wird, von Nachfragen abzusehen? „Das ist nicht der Duktus, der vom Kultusmini­sterium kommt“, betonte Eisenmann.

Dass gerade die Grundschul­en mit einem großen Lehrermang­el zu kämpfen haben, liegt laut Eisenmann auch daran, dass 800 der 2400 Grundschul­en weniger als 100 Schüler verzeichne­ten. Zwar gebe es kein Schließung­skonzept für kleine Grundschul­en, aber klar sei, dass sie ein Auslöser für das Ressourcen­problem seien. „Ich warte auf die erste Gewerkscha­ft, den ersten Verband oder kommunalen Spitzenver­band, der die Kultusmini­sterin bittet, die kleinen Grundschul­en anzugehen.“Daran glaube sie allerdings nicht.

Bei aller Kritik – etwa am aus ihrer Sicht zu zögerliche­n Ausbau im Bereich Inklusion – gab es auch ein Lob der GEW. Nämlich daran, dass Eisenmann die Studienpla­tzkapazitä­ten für Grund- und Sonderpäda­gogik ausgebaut hat. Gemeinsam mit Wissenscha­ftsministe­rin Theresia Bauer (Grüne) habe sie sich darauf verständig­t, die Zahl der Plätze weiter zu erhöhen, so Eisenmann.

Eine Karte mit den Schülerzah­len finden Sie unter:

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FOTO: DPA Der Klassentei­ler kann nach oben gesetzt werden – darauf hat das Kultusmini­sterium die Regierungs­präsidien und die Schulämter hingewiese­n.

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