Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
„Wir müssen uns der Gefahr durch Judenfeindlichkeit stellen“
BERLIN - Mit Jeremy Issacharoff, dem neuen israelischen Botschafter in Deutschland, sprach Tobias Schmidt über die Bedeutung des Denkmals in München und über aktuelle Bedrohungen durch Antisemitismus.
Herr Botschafter, 45
Jahre nach dem Olympia-Attentat palästinensischer Terroristen auf israelische Sportler wird heute in München ein Denkmal für die Todesopfer eingeweiht. Kommt das Gedenken zu spät?
Es ist niemals zu spät, an diesen schweren Terrorakt zu erinnern. Vor den letzten Olympischen Spielen wurde in München der elf israelischen Athleten gedacht, die bei dem schrecklichen Angriff 1972 ermordet worden waren. Dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den israelischen Präsidenten Reuven Rivlin jetzt zur Einweihungszeremonie des Denkmals eingeladen hat, wird in Israel als sehr positives Signal aus Deutschland gesehen und gewürdigt.
Was ist die wichtige Botschaft dieses Denkmals, 45 Jahre nach der Schreckenstat?
Die Opfer haben sich damals mutig gegen die Angreifer gestellt, auch daran erinnern wir heute. Und der Terrorakt wird mit aller Schärfe verurteilt werden. Für Deutschland, Israel und alle Länder der westlichen Welt ist es ganz entscheidend, die Erinnerung an solche schrecklichen Attacken zu bewahren, um sich dem Terror heute und in Zukunft entgegenzustellen und ihn entschlossen zu bekämpfen.
Vertreter der jüdischen Gemeinde warnen vor wachsendem Antisemitismus in Deutschland, sprechen von der Gefahr, in einigen Stadtvierteln die Kippa zu tragen. Sehen auch Sie diese Bedrohung?
Diese Bedrohung besteht in einigen Vierteln. Wir müssen uns dieser Gefahr durch Judenfeindlichkeit stellen. Das geht aber weit über Deutschland hinaus, denken Sie an die NaziPartei in den USA. Solche Haltungen muss jeder scharf verurteilen. Ganz wichtig für den Kampf gegen Antisemitismus sind Bildung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen. Dafür will ich mich als Botschafter besonders einsetzen. Wir müssen bedenken, dass viele Jugendliche in Deutschland aus Ländern kommen, in denen Antisemitismus stark verwurzelt ist und zum Alltag gehört. Wir müssen schon in den Schulen diesen verwerflichen Einstellungen entgegentreten!
In Deutschland steht mit der Alternative für Deutschland (AfD) eine Partei vor dem Einzug in den Bundestag, aus deren Reihen antisemitische Äußerungen zu hören sind. Wie sehr beunruhigt Sie das?
Wenn eine Partei mit solchen antisemitischen Äußerungen erstmals in den Bundestag einziehen würde, wäre das sehr besorgniserregend! Solche Positionen dürfen sich nicht ausbreiten und dürfen keine öffentliche, politische Bühne erhalten! Jede Partei, die judenfeindliche Einstellungen duldet oder sogar unterstützt, ist für Israel eine Bedrohung. Wir wissen es aus der Vergangenheit: Antisemitismus kann an einem Ort auflodern und breitet sich dann aus. Jeder, der ein Interesse daran hat, eine demokratische und tolerante Gesellschaft zu bewahren, sollte darüber beunruhigt sein.