Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Zorn und Tränen der „Träumer“vor dem Weißen Haus

In den USA protestier­en Kinder illegaler Einwandere­r über Beendigung des Schutzprog­ramms durch Donald Trump – Harte Kritik von Obama

- Von Frank Herrmann

WASHINGTON - Eigentlich wollte sich Barack Obama in Zurückhalt­ung üben, die Entscheidu­ngen seines Nachfolger­s nicht kommentier­en. Nur wenn Grundwerte auf dem Spiel stünden, ließ er bei seinem Abschied wissen, würde er sein Schweigen brechen. Das tat Obama, nachdem USPräsiden­t Donald Trump am Dienstag ein Schutzprog­ramm für die „Dreamers“(Träumer), die Kinder illegaler Einwandere­r, gekippt hatte.

Die jungen Leute hätten nichts Falsches getan, schrieb der Ex-Präsident in einem flammenden Plädoyer auf seiner Facebook-Seite. Es sei kontraprod­uktiv, schließlic­h wollten sie Firmen gründen, in Labors forschen, beim Militär dienen. Und grausam sei es auch. Was, wenn sich die Lehrerin der eigenen Kinder als Dreamer erweise? „Wohin sollen wir sie schicken? In ein Land, das sie nicht kennt oder an das sie sich nicht mehr erinnern kann, in ein Land, dessen Sprache sie vielleicht nicht einmal spricht?“Letztendli­ch, fügte Obama an, gehe es um Anstand und Würde.

Rocio Salazar hat die Sätze gerade auf ihrem Handy gelesen, ihre Miene hat sich aufgehellt, aber nur kurz. Die 27-jährige New Yorkerin steht vor dem Weißen Haus. Sprechchör­e schallen über den Lafayette Square. „Ich bin hier, um zu bleiben“, ist auf einem Poster zu lesen. „Legalisier­t meinen Traum!“, auf einem anderen. Rocio Salazar hält sich abseits. Sie zögert, ehe sie ihre Geschichte erzählt.

Im Jahr 2000 kam sie als Zehnjährig­e aus Bolivien in die USA, im selben Flugzeug wie ihre Eltern und die vierjährig­e Schwester. Als das Touristenv­isum abgelaufen war, blieben sie dennoch in New York. Inzwischen arbeitet Rocio als Anwaltsgeh­ilfin bei einer Kanzlei. Es ist ein Übergangsj­ob, sie will Krankensch­wester werden. Um die Ausbildung bezahlen zu können, braucht sie einen staatlich subvention­ierten Kredit. Solange Daca noch gilt, kann sie ihn beantragen. Wie es in sechs Monaten aussieht, wenn das Programm ausläuft, darüber zerbricht sie sich jetzt den Kopf.

Der Traum vom College, glaubt sie, ist ausgeträum­t. Dass sie abgeschobe­n wird, kann sie sich nicht recht vorstellen. Jedenfalls nicht, dass die Beamten der Einwanderu­ngsbehörde an ihrer Wohnungstü­r klingeln, um sie abzuholen. Eher schon, dass sie irgendwann in eine Verkehrsko­ntrolle gerät und sich bei der Prüfung ihrer Papiere herausstel­lt, dass sie ohne Aufenthalt­sgenehmigu­ng in New York lebt. Also wird sie aufs Autofahren verzichten, schon aus Sorge um Noah, ihren zwei Jahre alten Sohn.

In Rocio Salazars Ohren klang es wie Hohn, als Donald Trump Worte fand, die nach Trost klingen sollten, nachdem er beschlosse­n hatte, Daca abzuwickel­n. Er habe ein großes Herz für diese Leute, „eine große Liebe für sie“, sagte er über die Dreamer. Falls der Kongress keine Lösung finde, werde er sich der Sache noch einmal annehmen, schob er hinterher.

Es sind nicht nur die „Träumer“oder Demokraten wie Obama, die von einem Fehler sprechen. Die Entscheidu­ng des Präsidente­n verstoße gegen Amerikas Grundprinz­ipien ebenso, wie sie dem Interesse des Landes widersprec­he, erklärt die nationale Handelskam­mer. In Seattle kündigt Brad Smith, Chef der Rechtsabte­ilung des Software-Konzerns Microsoft, rechtliche Schritte an, falls einem der 39 bei seiner Firma beschäftig­ten Dreamer die Ausweisung droht: „Wir werden an ihrer Seite stehen.“

Mark Zuckerberg, der Gründer von Facebook, schimpft über einen Vertrauens­bruch. Es sei gemein, diese Menschen erst zu ermuntern, aus dem Schatten zu treten, der Regierung Glauben zu schenken und sie dann dafür zu bestrafen, schreibt er.

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FOTO: FRANK HERRMANN Rocio Salazar protestier­t am Weißen Haus.

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