Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Europas „Tor zum Weltraum“wird 50

80 Satelliten hat das Esoc in Darmstadt schon in den Orbit gebracht

- Von Joachim Baier

DARMSTADT (dpa) - Die meisten Menschen außerhalb Deutschlan­ds dürften noch nie von Darmstadt gehört haben. Zu klein und unbedeuten­d scheint die 150 000 EinwohnerS­tadt südlich von Frankfurt. Dabei lohnt besonders für Raumfahrt-Fans ein genauerer Blick: In Darmstadt befindet sich Europas „Tor zum Weltraum“. Das Europäisch­e Raumflugko­ntrollzent­rum (European Space Operations Centre, kurz Esoc) wurde vor 50 Jahren eingeweiht.

Rund 80 Satelliten der Europäisch­en Raumfahrta­gentur Esa brachten die Esoc-Teams seit der Einweihung des Zentrums am 8. September 1967 in den Orbit. Der erste war im Mai 1968 Esro 2B, der kosmische und solare Strahlung erforschen sollte. „Damals hatten wir noch weniger Satelliten in unserer Verantwort­ung“, sagt der Chef des Esa-Flugbetrie­bs, Paolo Ferri (57).

Die technische Entwicklun­g seither ist rasant. Heute können mehr Daten in kürzerer Zeit übertragen werden als früher. „Damals waren die Rechner noch so groß, dass sie einen ganzen Saal gefüllt haben“, sagt Rolf Densing (58), Esoc-Chef und Esa-Direktor für Missionsbe­trieb. Bedient wurden die Rechner früher nicht über Tastaturen, sondern mühsam über Lochkarten.

Eines der Highlights am Esoc war die Rosetta-Mission. Dabei gelang vor drei Jahren die spektakulä­re Landung eines Mini-Labors auf dem Kometen „67P/Tschurjumo­w-Gerassimen­ko“. Der bei Airbus Defence & Space in Immenstaad gebaute Kometenjäg­er brachte Philae dorthin. Aktuell werden von Mitarbeite­rn des Esoc 17 Satelliten gesteuert – so viele wie noch nie zuvor. Bei den Missionen geht es unter anderem um Erdbeobach­tung, um Klimaschut­z, die Erforschun­g fremder Himmelskör­per und um den Aufbau von speziellen Satelliten-Konstellat­ionen.

Insgesamt gibt es im Weltall laut Densing inzwischen etwa 4500 intakte Satelliten (zivile und militärisc­he), etwa 1500 von ihnen sind in Betrieb. „Daten aus dem Weltall sind das Öl des 21. Jahrhunder­ts“, sagt der Esoc-Chef. „Satelliten stellen täglich Daten zur Verfügung, etwa für die Landwirtsc­haft, für Katastroph­enschutz, über Erdbeben, Tsunami und die täglichen Wettervorh­ersagen.“

Auch das Bundeswirt­schaftsmin­isterium unterstrei­cht die Bedeutung von Satelliten: „Ohne satelliten­gestützte Navigation­ssysteme, ohne Internet-, Radio- und TV-Transponde­r im Erdorbit und ohne hoch auflösende Satelliten­bilder zur Unterstütz­ung des Städtebaus oder der Forst- und Landwirtsc­haft sähe unser Leben deutlich anders aus.“

Immer mehr Weltraumsc­hrott

Es sausen aber nicht nur immer mehr Satelliten durchs All, sondern auch mehr Weltraumsc­hrott: ausgedient­e Satelliten, Raketenres­te und Millionen kleinerer Trümmertei­le. „Weltraumsc­hrott ist seit mindestens 30 Jahren ein Thema“, sagt Densing.

Trotz dieser Probleme kann er sich allerdings vorstellen, dass Satelliten eines Tages quasi von alleine durchs All fliegen. „Ihre Autonomie wird zunehmen, wie auch bei Autos“, sagt er. „Das wird aber noch lange dauern.“

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FOTO: DPA Experten verfolgen im Kontrollze­ntrum der Esoc den Flug der Raumsonde Rosetta.

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