Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Familie Vochatzer erreicht nach 28 Tagen den Markusplat­z

550 Kilometer legen Eltern und zwei Söhne von Bolstern nach Venedig zurück – Sie erleben die Schönheite­n der Natur

- Von Eugen Kienzler

BOLSTERN - „Es ist ein unbeschrei­bliches Gefühl, nach der vierwöchig­en Alpenüberq­uerung auf dem Markusplat­z in Venedig zu stehen“schrieb Stefan Vochatzer aus Bolstern in einer E-Mail an die Daheimgebl­iebenen. Stefan Vochatzer, seine Frau Sandra und die beiden Söhne Niklas und Luis haben ihren Traum wahr gemacht, den Traumpfad München-Venedig in einem Stück in 28 Tagen zu erwandern.

Nach einer frühen Anreise per Bahn ging es am 5. August auf dem Marienplat­z in München auf den Fernwander­weg mit seinen 550 Kilometern und über 20 000 Höhenmeter­n. An der Isar entlang ging es zuerst in vier Tagen durch das Voralpenla­nd bis zum Karwendel. „Für uns waren die ersten Tage mit den langen Strecken auf der Ebene mit der schwierigs­te Teil, denn wir mussten uns zuerst an die Rucksäcke, der bei Stefan 17 Kilo, bei mir 13 Kilo und bei den Jungs immerhin noch sechs Kilo wog, gewöhnen. Außerdem mussten wir den Rhythmus des Gehens finden und uns gedanklich auf den Tagesablau­f einstellen“, sagt Sandra Vochatzer.

Dafür gab es schon am zweiten Tag eine Begegnung der besonderen Art. Bei Bad Tölz trafen sie zufälliger­weise den 92-jährigen Ludwig Grassler, den Gründer und Vater des Traumpfade­s, der diesen Fernwander­weg 1974 erstmals begangen und beschriebe­n hat. „Er war erstaunt über unser Vorhaben, mit unseren Jungs diese Herausford­erung zu wagen und wünschte uns viel Glück“freute sich Stefan Vochatzer über diese Begegnung.

Mit der Glaswandsc­harte in der Benedikten­wand und dem Latschenko­pf gab es dann die ersten Gipfelerle­bnisse. Die einzige Schlechtwe­tterphase erlebten die Vier im Karwendelg­ebirge mit einem Temperatur­sturz begleitet von Regen und Schnee. Wieder größtentei­ls von gutem Wetter begleitet, ging es dann aus dem Inntal in die Zentralalp­en, wo es dann oberhalb der 2000 Meter zur Sache ging.

Zufrieden mit Unterkünft­en

Eine der Herausford­erungen: die beiden Tagesetapp­en von der Lizumer Hütte bis zur Olpererhüt­te und hier der Anstieg zur Friesenber­gscharte, mit 2904 Metern die zweithöchs­te Erhebung der Tour. Dafür gab es hier den Spaß für die Jungs, denn „Klettern im Fels und in Kletterste­igen ist das schönste in den Bergen“, beschreibt Niklas seine Begeisteru­ng.

Wie Niklas in seinem akribisch geführten Gipfelbuch beschrieb, wurden sie nicht nur mit imposanten Ausblicken und Begegnunge­n mit den Tieren der Alpen wie Murmeltier­e und Steinböcke belohnt, sondern mit der Olpererhüt­te, einer der schönsten Hütten der Tour. Insgesamt waren sie mit den Hütten und Unterkünft­en, die Vater Stefan ausgewählt hatte, bis auf eine Ausnahme zufrieden. „Jeden Tag spannend war es für uns, was uns am Abend erwartete, inbesonder­e auf das Essen freuten wir uns, denn untertags ernährten wir uns nur mit Kleinigkei­ten wie Brote, Energierie­gel und Obst und natürlich mit viel Wasser, vom Vater mit Mineralsto­ffen und eigenem Fruchtsiru­p gemischt“lobten die Jungs. Dass sie nach diesen Tagen vorläufig von Gulasch, Knödel, Kaiserschm­arren, Pasta und Polenta gesättigt sind, versteht sich.

Durch das Pfunderer Tal ging es dann in die Dolomiten, zurecht als eine der schönsten Landschaft­en Europas bezeichnet. Über den Gampill, das Würzjoch und die Nives-Scharte, wo die Jungs wieder ihren Spaß am Klettern hatten, ging es zur Puezhütte auf 2475 Metern.

Dass sich frühes Aufstehen lohnt, zeigte sich hier, denn am späteren Nachmittag zog ein Gewitter mit Hagelschla­g auf, das die Vier geschützt in der Unterkunft erlebten. Die noch unterwegs waren, kamen nicht nur durchnässt sondern teilweise auch mit blauen Flecken im Gesicht an. Kalt stürmisch und wegen der vielen eisüberzog­enen Stellen anstrengen­d war der frühe Aufstieg von der Boehütte im Sellagebie­t auf den höchsten Punkt des Traumpfade­s, dem Piz Boe mit seinen 3152 Metern. Belohnt wurden die Frühaufste­her mit einem strahlende­n Morgenhimm­el, einer traumhafte­n Fernsicht und einem menschenle­eren Gipfelplat­eau. Geschafft! Nach einer anstrengen­den Wanderung steht die Familie stolz und glücklich auf dem Markusplat­z in Venedig.

Schnell änderte sich dies, als die Bergbahn vom Pordoijoch in Betrieb ging, aber da waren die Vier schon wieder am Abstieg durch die Pordoischa­rte zum Bindelweg. Dieser alte Getreideha­ndelsweg in die ladinische­n Täler bietet traumhafte Ausblicke auf die Königin der Dolomiten, der Marmolada. „Schon allein wegen dieser herrlichen Landschaft mit dem Blick auf die eisgepanze­rte Nordseite der Marmolada und dem Blick ins Fassatal und zum Fedajasee lohnen sich all die Anstrengun­gen und man wird dabei fast andächtig“schildern Stefan und Sandra ihre Eindrücke auf dieser Genussstre­cke.

Alpenveilc­hen und Edelweiß

Die letzten Bergetappe­n führten dann an den Felsmassiv­en der Civetta vorbei in die unbekannte­re und

unberührte Berglandsc­haft der südlichen Dolomiten. Dort gab es dann auch die interessan­te Flora mit wilden Alpenveilc­hen und echtem Edelweiß zu bewundern. Ab Belluno ging es dann ins Veneto, eine Landschaft, in der Schönes und Hässliches oft nahe beieinande­r liegen.

Die Schönheite­n des Nevegal und des Hügellande­s sind ein Gesicht dieser Provinz, ein anderes ist die Zersiedelu­ng der Piave-Ebene. Durch eben diese Gegensätze gingen dann die letzten 130 Kilometer bei heißem, beinahe tropischem Klima. Aber auch diese Strecke wurde gemeistert und am 1. September kamen die Vochatzers müde, aber ob dieser großartige­n Leistung stolz, glücklich und dem Herrgott dankbar am Ziel des Traumpfade­s, dem Markusplat­z in Venedig an.

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FOTOS: PRIVAT Eingepackt in warme Kleidung: Niklas, Stefan, Luis und Sandra Vochatzer aus Bolstern auf dem höchsten Punkt ihrer Tour – dem Piz Boe auf 3152 Meter.
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