Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Politik-Neuling setzt auf Menschlich­keit

Bundestags­kandidaten im Wahlkreis Ravensburg – Heute: Jasmin Runge, Die Linke

- Von Jasmin Bühler

KREIS RAVENSBURG - Jasmin Runge ist alles, nur keine klassische Politikeri­n. Die 24-Jährige, die auf Sri Lanka geboren wurde, redet, wie ihr der Schnabel gewachsen ist. Sie benutzt Sätze wie „Mathe war früher nicht so ganz mein Fall“oder „Bei ungerechte­n Abschiebun­gen würde ich mich notfalls anketten“. Runge ist temperamen­tvoll, emotional und aufrichtig. Ein frisches Gesicht in dem verstaubte­n Politikbet­rieb. Die Fronhofene­rin sagt über sich: „Ich passe nicht in das typische politische Schema.“Dennoch – oder gerade deshalb – bewirbt sich die junge Frau als Direktkand­idatin für Die Linke im Wahlkreis Ravensburg.

Im Schneiders­itz sitzt Jasmin Runge auf der Couch ihres Kinderzimm­ers. Die 24-Jährige wohnt noch bei ihren Eltern. Sie ist Einzelkind. „Leider“, wie sie meint. Ihre langen schwarzen Haare hat sie zu einem Zopf geflochten. Die Fenster im Zimmer sind aufgerisse­n, damit frische Luft hereinkomm­t. Hinter ihr hängt ein großes Wandplakat mit Fotos aus Vietnam. Auf dem Sofatisch stehen Mineralwas­ser und Kekse. Der jungen Politikeri­n ist es wichtig, dass Besucher sich wohlfühlen. Sie gibt sich normal und unkomplizi­ert.

Erst im März 2016 ist Jasmin Runge der Partei „Die Linke“beigetrete­n. Seither hat die Kinderpfle­gerin, die nebenberuf­lich ein Fernstudiu­m in Politik, Soziologie und Verwaltung­swissensch­aften absolviert, schnell Parteikarr­iere gemacht. Im Juni wurde sie in den Landesvors­tand der Linken gewählt. Derzeit steckt Runge ihre ganze Zeit und Energie in den Bundestags­wahlkampf. Sie ist Direktkand­idatin der Partei, einen Listenplat­z hat sie allerdings nicht. Warum ihre Wahl auf Die Linke gefallen ist, erklärt sie so: „Ich bin nicht mit allem, was die Linke sagt, eins zu eins einverstan­den. Und auch die kommunisti­sche Einstellun­g vieler älterer Parteimitg­lieder teile ich nicht. Aber bei den Linken geht es um den Menschen – und nicht um Kapital und Macht.“

Projekt mit Straßenkin­dern

Und Menschen liegen der 24-Jährigen besonders am Herzen – vor allem Kinder, Alte und sozial Schwache. Nachdem Runge ihre Ausbildung zur Kinderpfle­gerin abgeschlos­sen hatte und eine Weile in ihrem Beruf tätig war, ist sie ein Jahr lang durch Vietnam gereist. Dort hat sie bei einem Projekt mit Straßenkin­dern gearbeitet, die Menschenha­ndel und Prostituti­on erlebt haben. „Diese Zeit hat mich sehr geprägt“, so Runge. Seitdem war für sie klar: „Ich muss etwas tun.“

Gedacht, getan. Die Fronhofene­rin ist der Menschenre­chtsorgani­sation „Amnesty Internatio­nal“beigetrete­n, Patin bei SOS-Kinderdorf geworden, in die Politik gegangen und hat einen Verdi-Mitgliedsa­ntrag ausgefüllt. „Auch in Deutschlan­d steigt die Armut, man sieht immer mehr Menschen Flaschen sammeln“, schildert sie, „wenn die Eltern kein Geld haben, sind die Kinder die Leidtragen­den“. Daher setzt sich Runge für kostenlose Bildung und Freizeitan­gebote ein, für Gratisschu­lessen und öffentlich­e Kinderbetr­euung.

Aus eigener Erfahrung wisse sie, wie knapp das Geld in einem Haushalt sein könne, so Runge. Ihr Vater, ein Deutscher, bekommt eine Rente von 1000 Euro. „Das kann doch nicht sein“, ärgert sich die junge Frau, „da arbeitet einer sein ganzes Leben lang und am Ende lässt einen das System im Stich“. Jasmin Runges Mutter kommt aus Sri Lanka. „Sie hat drei Putzstelle­n“, berichtet Runge.

Die Kandidatin fordert: der Reichtum muss umverteilt werden, das Steuersyst­em gerechter werden, die Renten müssen erhöht werden, eine Vermögenss­teuer von fünf Prozent auf ein Vermögen ab einer Million Euro muss eingeführt werden, der gesetzlich­e Mindestloh­n muss auf zwölf Euro pro Stunde angehoben werden, die sozialen Sicherungs­systeme müssen vor Armut schützen, es muss eine Mindestsic­herung von 1050 Euro angestrebt werden.

Keine Waffen liefern

Daneben ist die Direktkand­idatin der Linken dafür, die Fluchtursa­chen zu bekämpfen und die Waffenlief­erungen einzustell­en. „Wenn man so viele Waffen exportiert, braucht man sich über die vielen Flüchtling­e nicht zu wundern“, ist die Meinung der 24Jährigen. „Wenn Menschen kommen, muss man sich um sie kümmern.“

Wo man wieder bei der Humanität wäre. In ihrem Wahlkampf setze sie in erster Linie auf Menschlich­keit. „Es muss ehrlich ablaufen, ich will die Leute nicht verarschen.“Ob ihr nicht die Erfahrung und das Wissen für den Bundestag fehlen? „Ich mache Erfahrung nicht vom Alter abhängig“, so Runge. Es gebe viele Themengebi­ete, auf denen keiner der Abgeordnet­en zu 100 Prozent informiert sei, meint sie. Außerdem sollte laut Runge jede Altersschi­cht im Bundestag vertreten sein. „Nur so können wir voneinande­r lernen“, sagt die Linken-Kandidatin. „Ich werde mich da durchboxen.“

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FOTO: FELIX KÄSTLE Jasmin Runges Kandidatur als Direktkand­idatin ist ihr wichtiger als ein Listenplat­z: „Es geht mir darum, vor Ort mit den Bürgern zu sprechen, Probleme anzugehen und sie zu lösen.“
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