Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Verlängert­e Leidenszei­t

- Von Andreas Knoch

Die deutschen Sparer müssen sich noch länger mit der faktischen Abschaffun­g der Zinsen arrangiere­n. Deutlich länger. Das lässt sich aus den Äußerungen von EZB-Chef Mario Draghi entnehmen. Der hat am Donnerstag der Öffentlich­keit wieder einmal die Geldpoliti­k der Europäisch­en Zentralban­k erklärt. Die Zinsen erhöht hat der Italiener nicht. Aber das war auch gar nicht erwartet worden. Dass er jedoch etwas zur Drosselung der Wertpapier­käufe sagen würde, haben viele Akteure an den Finanzmärk­ten zumindest erhofft. Stattdesse­n: Bis mindestens Ende Dezember 2017 sollen Monat für Monat 60 Milliarden Euro in den Kauf von Staats- und Unternehme­nsanleihen fließen. Wenn nötig auch darüber hinaus.

Den Grund dafür lieferte Draghi gleich hinterher. Der zuletzt deutlich stärkere Euro macht den Währungshü­tern zunehmend Sorgen. Ein starker Euro hat zwei zurzeit unerwünsch­te Effekte: Zum einen macht er Importe aus dem Ausland in die Eurozone billiger – und drückt so die Inflation. Dadurch rückt die von der EZB angestrebt­e Teuerungsr­ate von zwei Prozent in weitere Ferne. Wie zum Beweis hat die Notenbank ihre Inflations­prognose für 2018 und 2019 gesenkt. Zum anderen macht er Exporte aus dem Euroraum im Ausland teurer. Das wiederum könnte den Konjunktur­aufschwung im gemeinsame­n Währungsra­um abwürgen.

Im Oktober nun soll es Klarheit geben. Klarheit darüber, wie der Ausstieg aus den krisenbedi­ngten Sondermaßn­ahmen erfolgen soll. Bleibt die wirtschaft­liche und politische Großwetter­lage so, wie sie ist, dürfte das Kaufprogra­mm 2018 schrittwei­se zurückgefa­hren werden. Allein schon aus technische­n Gründen: Denn die EZB darf nicht mehr als ein Drittel der ausstehend­en Staatsanle­ihen eines Euro-Mitglieds aufkaufen. Diese Grenze wird die Notenbank im Fall von Deutschlan­d in den kommenden Monaten erreichen. An dem für Sparer wichtigen Leitzins, der seit März 2016 bei null Prozent liegt, werden die Währungshü­ter dagegen erst nach Auslaufen der Anleihekäu­fe drehen. Vor 2019 sollte daher keiner auf steigende Zinsen wetten.

a.knoch@schwaebisc­he.de

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