Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Mafia hat IS als Geschäftsp­artner entdeckt

- Von Thomas Migge

Mafia und Erdöl – diese Paarung ist neu. Selbst für AntiMafia-Ermittler, die in Italien ja einiges gewöhnt sind. Doch die italienisc­he Polizei ermittelt jetzt auch im Fall illegaler Erdölimpor­te durch die organisier­te Kriminalit­ät.

„Die Bosse lassen sich immer was Neues einfallen, um viel Geld zu verdienen“, erklärt Enzo Ciconte, der an der Universitä­t Rom Mafiakunde unterricht­et und ein Experte der kalabresis­chen ’Ndrangheta ist, „jener Mafiaorgan­isation, die seit einigen Jahren am meisten Geld verdient“. Bisher waren die „klassische­n“Arbeitsfel­der der Handel mit Drogen aus Südamerika und Afghanista­n sowie mit Menschen und Waffen, Schutzgeld­erpressung­en und die illegale Entsorgung von Müll. Doch wie jüngste Untersuchu­ngen belegen, versuchen sich die Bosse jetzt auch auf dem Erdölmarkt und als Kunden des „Islamische­n Staats“.

Milliarden Euro Steuerausf­älle

Italien spielt seit Jahren eine besondere Rolle im Schwarzmar­kt-Business mit Erdöl. So kommen Benzin und Diesel aus osteuropäi­schen Staaten nach Italien und werden über Tankstelle­n verkauft. Vorsichtig­en Schätzunge­n der Anti-Mafia-Polizei zufolge entgehen dem italienisc­hen Staat auf diese Weise Steuereinn­ahmen von mindestens vier Milliarden Euro – pro Jahr.

UN-Inspektore­n fanden jetzt heraus, dass von Libyen aus nicht nur Flüchtling­e von Schleppero­rganisatio­nen ins nahe Italien gebracht werden, sondern auch Öl. Ein Handel, der wahrschein­lich von IS-Milizen organisier­t wird, mit denen italienisc­he Mafiabosse Geschäfte machen. UN-Berichten zufolge wird der Rohstoff in jenen Gebieten gefördert, die von bewaffnete­n Terrorgrup­pen kontrollie­rt werden. In den Häfen werden die Verantwort­lichen geschmiert. Kleine Frachtschi­ffe bringen das Erdöl dann zu Tankern, die auf Staaten wie Panama und Zypern gemeldet sind. Die Fracht wird umgeladen und nach Italien, vor allem nach Sizilien, gebracht. „Dass auch dort“, so Mafia-Fachmann Enzo Ciconte, „die Hafeninspe­ktoren geschmiert werden, ist nicht auszuschli­eßen.“Dem italienisc­hen Staatsanwa­lt Franco Roberti zufolge könne man von einem „perfekt funktionie­renden Deal“sprechen, „der sich vor allem auf zwei Produkte konzentrie­rt: auf Erdöl und auf Drogen“.

Italienisc­he Ermittler entdeckten in den vergangene­n Monaten bei Kontrollen in Raffinerie­n, dass in ganz Italien Erdöl auch aus vom IS besetzten Gebieten im Irak und in Syrien verarbeite­t wird. Ein weiteres Indiz: Die allgemeine­n Verarbeitu­ngsmengen sind weit größer, als offiziell angegeben wird. Woher kommt also dieses Rohöl? Benzin vom „Islamische­n Staat“in italienisc­hen PKWs? Eine, so die Tageszeitu­ng „il manifesto“, „erschrecke­nde Vorstellun­g“.

Den italienisc­hen Behörden geht es um mehr als nur um Steuerhint­erziehung. „Tatsache ist, dass die Mafia unsere Gesellscha­ft immer mehr unterwande­rt“, so der Mafiaexper­te und Starjourna­list Roberto Saviano, „und wenn sie das jetzt auch noch mithilfe der IS-Terroriste­n tut, bekommt man echt Angst.“

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