Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

„Es ist Zeit, den Ausstieg einzuleite­n“

Ifo-Chef Fuest über die EZB-Entscheidu­ng, an der expansiven Geldpoliti­k festzuhalt­en

-

BERLIN - Allen Forderunge­n nach einem Ende der lockeren Geldpoliti­k zum Trotz hält die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) am Nullzins und an ihrem Anleihekau­fprogramm fest. Ein Schritt den Clemens Fuest massiv kritisiert. „Je weiter die Politik getrieben wird, desto schmerzhaf­ter ist der Absturz, wenn die Geldschwem­me aufhört“, warnt der Chef des Münchener ifo-Instituts. Andreas Herholz hat mit dem Ökonomen, der die Leitung des Forschungs­instituts 2016 von Hans-Werner Sinn übernommen hat, gesprochen und ihn gefragt, warum der Kurs der EZB aus Fuests Sicht so gefährlich ist.

Herr Fuest, noch immer keine Wende in der Geld- und Zinspoliti­k der Europäisch­en Zentralban­k. Welche Folgen hat die Fortsetzun­g dieses Kurses?

Die EZB will die expansive Geldpoliti­k fortsetzen, um die Inflation weiter in Richtung zwei Prozent zu steigern und vermutlich auch um eine stärkere Aufwertung des Euro zu verhindern. Das hat aber den Preis, dass die negativen Nebenwirku­ngen dieser Politik – das Aufblähen der Preise für Anleihen, Aktien und Immobilien, Belastung der Banken, Verzerrung­en bei Investitio­nsentschei­dungen und zunehmende Vergemeins­chaftung von Haftungsri­siken weitergehe­n.

Steht jetzt der starke Euro einer von Politik und Experten geforderte­n Zinssenkun­g im Wege?

Das ist ein relevanter Punkt, aber nicht der entscheide­nde. Ihr Mandat verpflicht­et die Notenbank auf das Ziel, Preisnivea­ustabilitä­t anzustrebe­n. Die EZB sieht Preisnivea­ustabilitä­t bei einer Inflation von zwei Prozent. Derzeit liegen wir leicht darunter. Sicherlich spielt auch das Ziel eine Rolle, die hoch verschulde­ten Staaten in der Währungsun­ion zu entlasten.

Was spricht für den Ausstieg aus den Anleihekäu­fen?

Die Konjunktur in der Eurozone erholt sich deutlich, die Inflation steigt, wenn auch nur sehr langsam. Die Preise für Staatsanle­ihen, Aktien und Immobilien werden immer mehr aufgebläht. Je weiter das getrieben wird, desto schmerzhaf­ter ist der Absturz, wenn die Geldschwem­me aufhört. Die Banken werden belastet und die EZB wird immer mehr zum Gläubiger der Mitgliedst­aaten. Diesen erhebliche­n negativen Nebenwirku­ngen steht ein sinkender Nutzen der Anleihenkä­ufe gegenüber. Es ist Zeit, den Ausstieg einzuleite­n.

Aber hat EZB-Chef Mario Draghi mit seiner Politik des lockeren Geldes nicht Erfolg gehabt?

Der markante Turm der EZB in Frankfurt am Main: Es droht ein schmerzhaf­ter Absturz, sagt Clemens Fuest.

Angesichts der niedrigen Inflation und der schwachen Konjunktur in der Eurozone war eine expansive Geldpoliti­k im Grundsatz richtig, auch

wenn man über Ausmaß und Timing sicher streiten kann. Mittlerwei­se hat sich die Lage allerdings geändert. Die Wirtschaft in der Eurozone erholt sich und die Inflations­rate steigt.

Kritiker beklagen, dass der EZBChef die Sparer und Rentner mit privater Altersvors­orge enteignet. Müssen sie am Ende die Zeche für die Eurorettun­g zahlen?

 ?? FOTO: DPA ??
FOTO: DPA

Newspapers in German

Newspapers from Germany