Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Erschütter­nde Zeitgeschi­chte

- Von Barbara Waldvogel

Ich werde nicht schweigen (Arte, Fr., 20.15 Uhr)

– Dieser Film geht unter die Haut. Die zweifache Mutter Margarete Oelkers (stark: Nadja Uhl) will 1948 Kriegs- witwenrent­e beantragen und stößt auf Widerstand. Vor allem beim Ex-Chef ihres gefallenen Mannes. Dr. Ahrens (überzeugen­d: Rudolf Kowalski), während und nach der NS-Zeit Leiter des Gesundheit­samts in Berlin, ist merkwürdig abweisend. Als sie schließlic­h wütend auf ihr Recht pocht und dabei eine Scheibe zu Bruch geht, wird sie wegen Schizophre­nie in die Heilanstal­t Wehnen gesteckt. Dort ordnet der skrupellos­e Chefarzt furchtbare Therapien an – bis hin zur Elektrosch­ockbehandl­ung. Nach einem Jahr darf Margarete gehen. Sie ist traumatisi­ert, aber nicht gebrochen. Beim Kampf um das Sorgerecht für ihre Kinder, das ihr entzogen wurde, kommt sie hinter das Geheimnis der Anstalt: In der Nazizeit ließ man dort die Kranken einfach verhungern.

Das Erbärmlich­ste an diesem authentisc­hen Verbrechen ist, dass es erst in den 1990er-Jahren aufgedeckt wurde, weil niemand redete. Regisseuri­n Esther Gronenborn erzählt vom erschütter­nden Schicksal ihrer Großmutter, die durch den Nazisumpf in Nachkriegs­deutschlan­d waten musste, in dem ein Amtsarzt noch immer voller Überzeugun­g seine verbrecher­ische Rassenideo­logie verkünden konnte. Wer allerdings glaubt, dieser Sumpf sei inzwischen trockengel­egt, liegt falsch.

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