Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Die „Weiße Südafrikan­erin“kämpft gegen das Aids-Virus

Schwester Electa Wild von den Sießener Franziskan­erinnen ging vor 56 Jahren in die Mission nach Bloemfonte­in

- Von Lena Reiner

FRIEDRICHS­HAFEN/SIESSEN - Für ein paar Tage lang hat Schwester Electa Wild kürzlich Südafrika gegen Schwaben getauscht. Sie gehört den Sießener Franziskan­erinnen an, die hinter der Schule St. Elisabeth stehen, und hat in Friedrichs­hafen einen Spendensch­eck der Afrikatage für das Lesedi Centre of Hope bei Bloemfonte­in in Empfang genommen. Die SZ hat die Gelegenhei­t genutzt, um mehr über ihr Leben in Afrika zu erfahren.

Schwester Electa ist braun gebrannt und spricht ruhig und bedacht. Während des Gesprächs muss sie ab und zu nach dem richtigen deutschen Wort suchen, wechselt auch mal kurz ins Englische. „Wir sprechen im Orden Englisch miteinande­r, auch die Schwestern aus Deutschlan­d“, erklärt sie, und dass sie Gottesdien­ste in der Lokalsprac­he Sesothu abhalten würden. Studiert hat die 78-Jährige auf Afrikaans an der Universitä­t Bloemfonte­in, ihr Fach war Lehramt, auch diese auf dem Holländisc­hen basierende Sprache beherrscht sie daher flüssig.

Die lokal üblichen Sprachen zu lernen, das sei ihr wichtig gewesen, sagt Schwester Electa. „Das zeigt den Menschen dort, dass man Respekt vor ihnen und ihrer Kultur hat.“Auch sonst habe sie sich viel mit der Kultur und den Traditione­n vor Ort befasst. „Vor 50 Jahren dachten wir noch, wir kennen die Wahrheit und müssen sie den Leuten bringen, aber das stimmt nicht. Viele der alten Traditione­n haben ihr Gutes.“Sie betont etwa das große Wissen über Naturheilk­unde, das vorherrsch­e und bei vielen Krankheite­n eine gute Alternativ­e zur Schulmediz­in darstelle.

Als gutes Beispiel voran gehen

Dann sei da der Glauben an die Ahnen. „Wenn jemand daran glaubt, dass seine Ahnen das Leben der Familie mit prägen, das ist doch etwas sehr Schönes. Da kann man nicht sagen: ,Das ist Blödsinn’, bloß weil wir einen anderen Glauben haben.“Generell sei es ihr wichtig, als gutes Beispiel voran zu gehen. „Unser Bischof damals hat immer gesagt, wenn wir in der Kirche etwas nicht machen oder schaffen, dann können wir es von der Gesellscha­ft erst recht nicht erwarten.“Zur vollständi­gen Integratio­n habe neben der Sprache noch etwas gehört: die Staatsbürg­erschaft des Landes, in dem sie nun – mit Unterbrech­ung – seit 56 Jahren lebe.

Die Frage, ob sie das zu einer weißen Afrikaneri­n mache, bejaht sie und ergänzt: „Zur weißen Südafrikan­erin.

Das ist schon ein Unterschie­d.“Überhaupt zeigt sich im Gespräch das Spannungsf­eld zwischen Vision der Gesellscha­ft und Realität. Auf dem Papier gebe es vieles nicht mehr, praktisch fehle noch einiges, um die Folgen der Apartheid zu verarbeite­n. „Versöhnung gelingt nicht über Nacht“, sagt sie und spricht davon, wie viele Verletzung­en die Weißen den Schwarzen zugefügt hätten.

Schwester Electa selbst legt Wert auf gegenseiti­gen Respekt – ganz gleich, welche Hautfarbe ihr Gegenüber hat. Selbstvers­tändlich spricht sie von „wir“und meint damit ebenso sich selbst, ihre Mitschwest­ern sowie die einheimisc­he Bevölkerun­g.

Aktuell seien sie 55 afrikanisc­he und vier deutschstä­mmige Schwestern. Ihre Arbeit in der Mission ist geprägt von ihrem Verständni­s von Gerechtigk­eit: „Ich habe als Lehrerin immer versucht, meine Schüler bewusst so auszubilde­n, dass sie nicht als Hilfskräft­e von Weißen enden. Viele sind mir nun bildungste­chnisch über den Kopf gewachsen, arbeiten in der Politik und auf Führungseb­ene, und das freut mich.“

Seit 2003 widmet sie sich der Betreuung und Pflege schwer an Aids erkrankter Menschen. „Wir nennen das Centre nicht Hospiz“, verrät sie. Dabei komme es nicht selten vor, dass das örtliche Krankenhau­s jemanden zu ihnen bringe, der dort nicht mehr betreut werden könne.

Zum Kampf gegen das Aids-Virus HIV gehöre vor allem auch viel Aufklärung­sarbeit. „Es gibt Mädchen, die suchen sich bereits mit elf oder zwölf Jahren einen Sugar Daddy“, schildert sie. Da helfe es nur, Mädchen aufzukläre­n und dafür zu sorgen, dass sie eine gute Ausbildung erhielten. Einfach sei das nicht: „Es herrscht mancherort­s einfach zu große Armut, und die Jobs werden durch die Industrial­isierung immer knapper.“

„Es herrscht mancherort­s einfach zu große Armut“, sagt Schwester Electa Wild

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FOTOS: SCHWESTER. ELECTA WILD Dort ist sie tagtäglich umgeben von Kindern und Erwachsene­n.
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Wirkungsst­ätte von Schwester Electra Wild ist das Lesedi Relief Centre.

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