Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Die Schüler sind da, der Schulleite­r fehlt

Zum Ende der Sommerferi­en sind in Baden-Württember­g 190 Rektorenpo­sten vakant, in Bayern dagegen nur drei

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - 190 Schulen in BadenWürtt­emberg starten heute ohne Rektor ins neue Schuljahr. Etwa zwei Drittel davon sind Grund- und Werkrealsc­hulen, wie das Stuttgarte­r Kultusmini­sterium im Internet auflistet. Das bayerische Kultusmini­sterium spricht indes von lediglich drei noch nicht besetzten Stellen an Realschule­n. Die scheinbar deutlich bessere Lage im Freistaat beschreibt der Bayerische Lehrer- und Lehrerinne­nverband (BLLV) aber als Mogelpacku­ng.

Bereits im zweiten Jahr leitet Hartmut Forstner nun die Eichenwald­schule in Aichstette­n im Landkreis Ravensburg, eine Grund- und Werkrealsc­hule mit 170 Schülern nahe der bayerische­n Grenze. „Es ist sehr viel Verwaltung­sarbeit. Das hat mit meinem eigentlich­en Beruf als Lehrer nicht mehr so viel zu tun“, sagt der 56-Jährige.

Als Konrektor musste er einspringe­n, als der Schulleite­r aus gesundheit­lichen Gründen überrasche­nd ausschied. Zweimal war die Leitungsst­elle ausgeschri­eben – Bewerber fehlen bis heute. Forstner wundert das nicht. „Es kommen immer noch mehr zusätzlich­e Aufgaben hinzu. Entlastung gibt es aber eigentlich keine. Ich sehe mich als Schulleite­r nicht wirklich wertgeschä­tzt“, sagt er. Trotz der massiven Mehrbelast­ung bekommt er kaum mehr Lohn. „Ich würde ja gerne die Schule managen, den Unterricht weiterentw­ickeln. Aber das läuft immer ein bisschen nebenher.“

Die baden-württember­gische Landesregi­erung hat nachgebess­ert. Rektoren kleiner Grundschul­en haben seit vergangene­m Jahr zwei zusätzlich­e Leitungsst­unden. Das Kultusmini­sterium hat das Programm „Fit für Führung“aufgesetzt, um Lehrer an den Schulleite­rjob heranzufüh­ren. Eine Evaluierun­g, ob das Programm wirkt, sei geplant, erklärt ein Ministeriu­mssprecher.

„Das hat im Moment keine Auswirkung“, sagt hingegen Alfred Moosmann, Leiter des Staatliche­n Schulamts Markdorf. Von den rund 200 Rektoren- und Konrektore­nposten in seiner Verantwort­ung musste er 50 seit Jahresbegi­nn neu besetzen. Zum Schuljahre­sstart sind noch zehn vakant. „Manche Schulleite­rstellen haben wir schon zwei-, dreimal ausgeschri­eben und warten noch immer auf Bewerber.“

Nach seiner Einschätzu­ng ist ein Bündel an Verbesseru­ngen nötig, um den Leitungsjo­b attraktive­r zu machen. „Wir müssen die Schulleite­r stärker entlasten“, sagt er. Kleine Schulen sollten stärker kooperiere­n. Für größere Schulen könnten Verwaltung­sassistent­en hilfreich sein, sagt er.

Dafür sei kein Geld da, heißt es aus dem Kultusmini­sterium. Zwar sei der laufende Schulversu­ch mit Verwaltung­sassistent­en erfolgreic­h. Doch um den Versuch auszuweite­n, müssten dafür Lehrerstel­len gesperrt werden.

Politische­r Druck im Freistaat

Kultusmini­sterin Eisenmann will Grundschul­leiter besser bezahlen. Gerade an kleinen Schulen bekommen sie kaum mehr Geld als ihre Kollegen. Die Besoldung dieser Schulleite­r in Bayern ist eine Stufe höher. Das sei aber nur ein Grund, warum in Bayern keine Grund-, Mittel- oder Förderschu­le am Dienstag ohne Leiter ins Schuljahr startet, so BLLVPräsid­entin Simone Fleischman­n. Sie erklärt das mit politische­m Druck der CSU im Bundestags­wahlkampf. Junge Lehrer seien in die Führungspo­sten gedrängt und ihre Beurteilun­gen entspreche­nd positiv geschriebe­n worden. „Es ist auch ein Stück weit eine Farce. Wenn man dreimal gefragt wird, ob man denn nicht endlich eine Leitung übernehmen will, dann macht man es irgendwann.“

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FOTO: DPA Viele Lehrer legen keinen Wert darauf, Rektor zu werden.

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