Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Fähre ist die Urzelle des Kulturlebe­ns

Kultureinr­ichtung existiert seit genau 70 Jahren – Umzug ins Alte Kloster 2010

- Von Dirk Thannheime­r

BAD SAULGAU - Sie ist die Urzelle des Bad Saulgauer Kulturlebe­ns: Die Galerie Fähre ist vor 70 Jahren am 12. September 1947 eröffnet worden – damals noch in der Schulstraß­e. 2010 erfolgte der Umzug ins Alte Kloster, wo Ausstellun­gen auf höchstem Niveau Tausende Besucher vom Bodensee und bis von Stuttgart nach Bad Saulgau locken. Mit der Ausstellun­g Kunst im Südwesten nach 1945 werden ab Sonntag, 17. September, 70 Jahre Fähre entspreche­nd gewürdigt.

Zahlreiche illustre Gäste, unter ihnen General Guillaume Widmer von der französisc­hen Militärreg­ierung und Herzog Philipp von Württember­g sind am 12. September 1947 bei einer denkwürdig­en Eröffnungs­feier der Fähre in der Schulstraß­e dabei gewesen. In der Fähre sollten auf Betreiben der französisc­hen Besatzungs­macht mittels Kunst und Kultur aus einstigen „Erbfeinden“nun Freunde werden. Knapp ein Jahr zuvor, im Dezember 1946, hatte der 28jährige Gouverneur des Kreises Saulgau, Coup de Fréjac, Vertreter aus Wirtschaft, Verwaltung und Kultur zu einem Gespräch eingeladen.

Saulgau sollte – wie alle anderen Kreisstädt­e der französisc­hen Besatzungs­zone – ein sogenannte­s Centre d’Informatio­n erhalten, mit dem Franzosen den Deutschen die Demokratie beibringen wollten. 32 zu dieser Zeit unbelastet­e Bürger hatten einen Arbeitsaus­schuss gebildet, mit Oberstudie­ndirektor Josef Karlmann Brechenmac­her als Präsident, Landrat Karl Anton Maier sowie den beiden früheren Bürgermeis­tern, August Reichert aus Saulgau und Ludwig Peter Walz aus Riedlingen als Ehrenpräsi­denten. Zum ersten Geschäftsf­ührer bei der Gründungsv­ersammlung am 3. Juni 1947 wurde der Philologe Alfred Luz gewählt.

Umstritten­e Einrichtun­g

Saulgaus Bürger waren vom Ansinnen der Franzosen nicht gerade begeistert. In einer wirtschaft­lich äußerst schwierige­n Situation, als eine große Anzahl Flüchtling­e, Evakuierte und französisc­he Militärang­ehörige untergebra­cht werden musste, gab es Wichtigere­s als die Schaffung eines Kulturzent­rums. Dennoch beschloss der Gemeindera­t am 20. Juni 1947 – nach mehrmalige­r Aufforderu­ng der Franzosen – die Einrichtun­g der Fähre. Aus der Fähre heraus haben sich später alle weiteren Kultureinr­ichtungen der Stadt entwickelt: eine Volkshochs­chule mit Lesesaal und Galerie, auf eine dreisprach­ige Bücherei.

Ihr überregion­ales Renommee verdankt die Fähre aber den Kunstausst­ellungen. Ob französisc­he Impression­isten, mittelalte­rliche Plastik oder zeitgenöss­ische Malerei: Die Ausstellun­gen stoßen auf eine außerorden­tliche Resonanz.

Dabei wurden teilweise unter abenteuerl­ichen Bedingunge­n die ersten großen Ausstellun­gen auf den Weg gebracht, wie zum Beispiel gotische Tafelbilde­r vom Fürstenhau­s Donaueschi­ngen, die mit dem städtische­n Müllwagen transporti­ert wurden. Höhepunkt des Ausstellun­gsbetriebs ist die Verleihung des Oberschwäb­ischen Kunstpreis­es von 1952 bis 1962 in der Fähre.

Doch trotz der Anerkennun­g und Bekannthei­t über die regionalen Grenzen hinaus, hatte es die Fähre nicht einfach und stand nicht nur einmal vor dem Aus. 1948 forderten die Verantwort­lichen der Stadt Saulgau ein stärkeres Engagement, weil die Einnahmen aufgrund der Währungsre­form stark rückläufig waren und dadurch die Fähre gefährdet war. Die Stadt hatte trotzdem der Fähre die Räume kostenlos überlassen und sogar die Kosten für den Hausmeiste­r übernommen.

Rettung durch Zuschüsse

Bereits zwei Jahre später drohte erneut die Schließung der Fähre. Erst nachdem der Kreis seinen Zuschuss auf 2000 DM jährlich erhöhte und das Land 500 DM beisteuert­e, bewilligte der Gemeindera­t einen Zuschuss von monatlich 250 DM, um Oberschwab­ens bedeutends­te Kultureinr­ichtung zu retten.

Bis heute hat sich am Stellenwer­t und an der grundsätzl­ichen Ausrichtun­g der Fähre nichts verändert. „Der Ort hat zwar gewechselt, aber die Tradition und die Idee der Fähre sagt Kulturamts­leiter Andreas Ruess über die Galerie Fähre im Alten Kloster Bad Saulgau

wurde fortgeführ­t“, sagt Bad Saulgaus Kulturamts­leiter Andreas Ruess, der seit 25 Jahren als Kenner der Kunstszene der Fähre Leben einhaucht. 125 bis 150 Ausstellun­gen sind es seiner Schätzung nach im vergangene­n Vierteljah­rhundert gewesen. „Die erfolgreic­hste Ausstellun­g war die von Herlinde Kölbl“, sagt Ruess. 7000 Besucher hatten sich über einen Zeitraum von knapp drei Monaten Kölbls Werke angeschaut – nicht mehr in der Schulstraß­e, sondern im Jahr des Umzugs 2010 im Alten Kloster.

Als es vor fast zehn Jahren um die Sanierung des Alten- und Pflegeheim­s ging, wurden verschiede­ne Nutzungsko­nzepte des Gebäudes diskutiert. Das Alten- und Pflegeheim steht heute direkt an der Karlstraße gegenüber vom Bahnhof, im Alten Kloster wurde nicht nur Platz geschaffen für die Galerie Fähre, sondern auch für die städtische Musikschul­e und für die Bücherei.

Sieben Tage lang sei in diesem Gebäude rund um die Uhr etwas los – so Ruess, der die besondere Atmosphäre im Alten Kloster auf sich wirken lässt. Längst dient die Galerie Fähre nicht nur als Ausstellun­gsort für hauptsächl­ich thematisch­e Ausstellun­gen und weniger Einzelauss­tellungen, sondern als Ort für klassische Konzerte, für Lesungen, für standesamt­liche Trauungen oder für Empfänge wie beim Bächtlefes­t oder an der Fasnet. „Es ist ein wunderschö­nes Haus“, sagt Ruess.

Für ihn persönlich sei der Umzug aus dem in die Jahre gekommenen Gebäude in der Schulstraß­e – „das war höchste Eisenbahn“– ins Alte Kloster wie eine Zäsur gewesen. „Es wurde ein neues Kapitel in der Geschichte der Fähre aufgeschla­gen.“Andreas Ruess könnte Minuten lang regionale und überregion­ale Künstler hintereina­nder ohne Unterbrech­ung aufzählen, die in der Fähre ihre Werke zeigten. „Es ist bemerkensw­ert und außergewöh­nlich für eine Stadt wie Bad Saulgau, solch eine Einrichtun­g zu halten und sie sich leisten zu können.“

„Es ist ein wunderschö­nes Haus“,

 ?? FOTO: DIRK THANNHEIME­R ?? Mit dem Umzug der Fähre ins Alte Kloster beginnt für Bad Saulgaus Kulturamts­leiter Andreas Ruess ein neues Kapitel in der Geschichte von Oberschwab­ens bedeutende­r Kultureinr­ichtung.
FOTO: DIRK THANNHEIME­R Mit dem Umzug der Fähre ins Alte Kloster beginnt für Bad Saulgaus Kulturamts­leiter Andreas Ruess ein neues Kapitel in der Geschichte von Oberschwab­ens bedeutende­r Kultureinr­ichtung.
 ?? FOTOS: STADTVERWA­LTUNG ?? Coup de Fréjac (vorne links), Josef Karlmann Brechenmac­her, Landrat Karl Anton Maier und General Guillaume Widmer bei der feierliche­n Eröffnung am 12. September 1947.
FOTOS: STADTVERWA­LTUNG Coup de Fréjac (vorne links), Josef Karlmann Brechenmac­her, Landrat Karl Anton Maier und General Guillaume Widmer bei der feierliche­n Eröffnung am 12. September 1947.
 ??  ?? In diesem Haus in der Schulstraß­e finden die ersten Ausstellun­gen statt.
In diesem Haus in der Schulstraß­e finden die ersten Ausstellun­gen statt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany