Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Arbeitskampf
Bei ZF sieht sich die Christliche Gewerkschaft Metall von der mächtigen IG Metall entmachtet
FRIEDRICHSHAFEN - Der eigentliche Kontrahent der Christlichen Gewerkschaft Metall (CGM) saß gar nicht mit am Gerichtstisch. Geklagt hatten die Gewerkschafter nur gegen das Unternehmen ZF – und zwar weil die Arbeitnehmervertreter sich von der weit einflussreicheren Gewerkschaft IG Metall in der Betriebsratsarbeit beim drittgrößten Autozulieferer der Welt ausgetrickst fühlen.
Hintergrund des Streits der Gewerkschaften ist ein Tarifvertrag, den das Traditionsunternehmen und die IG Metall für den Standort Friedrichshafen im Frühjahr unterschrieben haben. Der Vertrag, der seit Ende Mai gültig ist, regelt die Betriebsratsarbeit neu: Es gibt nicht mehr wie bisher nur ein einziges Betriebsratsgremium, sondern zwei – beide sollen per einfachem Mehrheitsbeschluss jeweils vier Vertreter in ein Leitungsgremium entsenden, das die maßgeblichen Angelegenheiten für den Standort Friedrichshafen regelt. Die CGM nennt den Tarifvertrag „unrechtmäßig“und hat deshalb das Arbeitsgericht Ulm angerufen.
„Faktisch bedeutet der Vertrag eine Entmachtung kleiner Listen“, sagt Sebastian Scheder, Geschäftsführer der CGM-Geschäftsstelle Schweinfurt, der die Gewerkschaft beim Gütetermin am Mittwoch in Friedrichshafen vertreten hat. Weder die CGM, noch die Wir ZF’ler, die zweite Oppositionsliste bei dem Friedrichshafener Unternehmen, werde es schaffen, in einem der beiden Betriebsräte eine Mehrheit gegen die IG Metall zu bilden. „Wir sind ja keine Fantasten, das bedeutet, dass für das Obergremium die demokratische Mitbestimmung bei der Betriebsratswahl außer Kraft gesetzt ist und dort zu 100 Prozent nur IG-Metall-Mitglieder sitzen werden“, sagt Scheder. Besonders fatal sei, wie der CGM-Funktionär vor Gericht erklärte, dass mehr als 90 Prozent der mitbestimmungspflichtigen Themen in die Zuständigkeit des Leitungsgremiums fallen.
Auch juristisch hält die CGM die neue Betriebsratsstruktur am Standort Friedrichshafen für fragwürdig. Grundsätzlich gelte die Regel „Ein Standort, ein Betrieb“, von dem nur abgewichen werden dürfe, wenn dadurch die Betriebsratsarbeit ermöglicht oder verbessert wird. „Ich behaupte aber, dass eine Abweichung gar nicht nötig ist, weil die Betriebsratsarbeit all die ganzen Jahre gut gelaufen ist“, erklärte Scheder.
Scheders Gegner am Mittwoch, der ZF-Arbeitsrechtler Detlef Gagg, bestritt genau das. „Die CGM kann nicht beurteilen, ob der Betriebsrat in den vergangenen Jahren effektiv und reibungslos gearbeitet hat“, sagt der Leiter für Arbeitsrecht und Vergütungssysteme. Fakt sei zwar, dass die Betriebsratsstruktur mit nur einem Gremium 2003 in einem Tarifvertrag festgeschrieben worden sei, seitdem habe sich das Unternehmen jedoch weiterentwickelt. „Wir haben mittlerweile mehr als 3000 Entwickler in Friedrichshafen – diese Interessen reflektiert das aktuelle Betriebsratsgremium nicht“, erläuterte Gagg dem Arbeitsgericht. „Wir wollen, dass diese Mitarbeiter künftig auch vertreten sind, das muss sich dann ändern.“Gagg machte deutlich, dass die Initiative für die Aufspaltung des Betriebsrates nicht von ZF ausgegangen ist. „Es gab seit einiger Zeit Diskussionen, ob die Strukturen noch passen – und die IG Metall hat als zweiter Tarifpartner deutlich gemacht, dass sie aus dem alten Tarifvertrag raus will“, sagte Gagg.
Für die IG Metall ist der neue Vertrag eine Anpassung an den aktuellen Konzernzuschnitt „Die Welt hat sich verändert, wir können mit zwei Gremien einfach effektiver arbeiten“, sagte Enzo Savarino, Erster Bevollmächtigter für FriedrichshafenOberschwaben. „Das alles geschieht nach Recht und Gesetz.“Man könne ZF sogar auch noch in weitere Betriebsteile aufteilen, um dann noch mehr Betriebsräte wählen zu lassen, wenn man die einzelnen Teile genau nach Art der Beschäftigung trenne.
Der Arbeitgeberverband Südwestmetall, der ZF vor Gericht vertritt, äußerte sich auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“nicht dazu, ob der Verband die Bedenken der CGM teilt. Auf alle Fälle hält das „Unternehmen die Bedenken für nicht gerechtfertigt. Südwestmetall vertritt diese Position bei dem Verfahren“, sagt Südwestmetallsprecher Volker Steinmaier.
Kammertermin im Januar 2018
Auch Richter Matthias Lohrmann gab am Mittwoch keinen Hinweis darauf, wie das Ansinnen der CGM zu bewerten ist, stellte nur fest, dass die Parteien sich nicht einigen, und vertagte das Verfahren auf Januar 2018.
Egal wie Lohrmann nächstes Jahr entscheidet, für CGM-Funktionär Michael Scheder stellt sich die Frage, „warum sich ZF überhaupt auf einen solchen Tarifvertrag einlässt und bei der Entmachtung der kleinen Listen mitmacht“. Immerhin vergrößere sich die Zahl der Freistellungen, statt 40 gäbe es bald weit mehr als 50 Betriebsräte. „Das kostet ZF eine Stange Geld. Und da kommt einem schon die zeitliche Nähe zur Standortsicherung in den Sinn: Vor wenigen Monaten hat die IG Metall auf zwei Prozent Lohnerhöhung verzichtet, nun stimmt ZF einem für die IG Metall günstigen Tarifvertrag zu“, sagt Scheder. „Für mich ist das ein Geben und Nehmen.“