Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Festhalten an der Hoffnung – Sie setzt schöpferis­che Kräfte frei

- Von Anja Hermle, Gemeindere­ferentin Seelsorgee­inheit Altshausen

Ende August habe ich – wieder einmal – eine Woche in Taizé verbracht. Auf dem Hügel in Burgund, auf dem sich seit Jahrzehnte­n Woche für Woche Tausende von hauptsächl­ich jungen Leuten treffen und miteinande­r in christlich­er Gemeinscha­ft leben. Auch viele Familien und Erwachsene treffen sich, sodass die Altersspan­ne von null bis 90(?) Jahren reicht.

Es ist beinahe unglaublic­h: Dreimal täglich strömen die Menschen in Scharen zum Gottesdien­st, in dem sehr viel gesungen wird – in mehreren Sprachen – aus der Bibel gelesen, gebetet, die Heilige Kommunion empfangen und – das ist ein wesentlich­es Element der Spirituali­tät in Taizé – Stille gehalten wird.

Was ist das, dass so viele Menschen von diesem spirituell­en Zentrum angezogen werden und das Wirklichke­it wird – allein schon, dass Menschen in Massen zum Gottesdien­st strömen – was vor Ort völlig undenkbar erscheint?

Keine einfachen Antworten

Auf schwierige Fragen gibt es natürlich auch keine einfachen Antworten. Ich denke, dass das „Geheimnis“darin liegt, dass sich in Taizé Menschen treffen, die auf der Suche sind und spüren, dass sie aus Gottes Liebe Kraft schöpfen können.

Menschen wie du und ich – sehr viele Menschen sind doch auf der Suche nach Lebenssinn oder nach einem „Mehrwert“im Leben, oder nicht?

Auf dem Hügel geschieht dann nichts anderes, als dass Menschen ein ganz einfaches Leben führen, miteinande­r teilen und sich gegenseiti­g wertschätz­en – lieben, könnte man in einem Wort dazu sagen. „Am Ende bleiben Glaube, Hoffnung und Liebe. Das Wichtigste aber ist die Liebe“heißt es im Korintherb­rief.

Nicht zu vergessen, dass manchmal 30 verschiede­ne Nationen zusammenko­mmen. Man kann sich gut vorstellen, dass man da offen füreinande­r und tolerant sein muss.

Christen nennen diesen Umgang miteinande­r „geschwiste­rlich“. Und schließlic­h beginnt man zu begreifen, dass dies der einzige Weg auf den großen Fragen unsrer Zeit ist.

Heilige Geist seufzt

Frère Alois, der Leiter der Brüdergeme­inschaft in Taizé schreibt im Jahresbrie­f 2017: „In unserer heutigen Welt stehen wir oft fassungslo­s vor Gewalt, Leid und Ungerechti­gkeit. Die Schöpfung Gottes seufzt und liegt wie in Geburtsweh­en. Und auch der Heilige Geist seufzt, aber er hält unsere Hoffnung wach (vgl. Römer 8,22.26).“Was können wir tun?

Unser Glaube besteht darin, ganz einfach auf Gott zu vertrauen. Der Glaube gibt uns keine fertigen Antworten, aber er bewahrt uns davor, uns von Angst oder Mutlosigke­it lähmen zu lassen.

Der Glaube setzt uns in Bewegung, führt zum Engagement. So können wir verstehen, dass das Evangelium den Horizont unserer Hoffnung weit macht – über alle Hoffnung hinaus.

Hoffnung wie ein Anker

Diese Hoffnung ist kein oberflächl­icher Optimismus; sie verschließ­t uns nicht die Augen vor der Realität. Sie ist wie ein Anker, den wir in Gott werfen können. Diese Hoffnung weckt unsere Kreativitä­t. Zeichen dafür können wir manchmal schon an Orten finden, an denen wir sie am allerwenig­sten erwartet hätten.“

Mir macht es sehr viel Mut, eine Woche in Taizé zu erleben, wie man gemeinsam zu glauben, hoffen und lieben kann. Das gibt Kraft für den Alltag, in dem es schließlic­h standzuhal­ten gilt. Halten wir uns also in allen Lebenslage­n an den Satz aus dem Hebräerbri­ef: „In der Hoffnung haben wir einen sicheren und festen Anker für unser Leben.“Die Hoffnung setzt ungeahnte schöpferis­che Kräfte frei. Paulus wusste wohl, wovon er redete!

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