Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Experiment­e in der Hexenküche Hervorrage­nde Karrierech­ancen

Die Ausbildung zum Brauer und Mälzer in Deutschlan­d ist weltweit einzigarti­g – und hoch geschätzt

- Von Christine King

Klar mag er Bier. „Besonders das Weißgold, aber eigentlich alle unsere Sorten“. Das allein war aber nicht ausschlagg­ebend, dass Felix Rieder bei der bayerische­n Brauerei Meckatzer im Allgäu die Ausbildung zum Brauer und Mälzer gemacht hat. Das mittelstän­dische Familienun­ternehmen mit etwa 130 Mitarbeite­rn stößt pro Jahr rund 170 000 Hektoliter Bier aus. „Ich habe mich schon als Schüler ans Bierbrauen gewagt. Die Technik hat mich fasziniert“, erzählt der 21-Jährige. Im Mai war er „ausgelernt“. Drei Jahre hat der junge Mann nach seinem Abitur in die Ausbildung investiert und jetzt verdient er, wie er selbst sagt „richtig gut.“

Brauwesen an TU studieren

Brauer und Mälzer sind gesucht, weltweit. Auf der eben in München zu Ende gegangenen Fachmesse „drinktec“waren fast die Hälfte der 1700 Aussteller aus 80 Ländern aus dem Brauereiwe­sen. Die Ausbildung in Deutschlan­d ist weltweit einzigarti­g, und zwar so einzigarti­g, dass es sie tatsächlic­h in diesem Umfang (als dreijährig­e Lehre und auch noch als Studiengan­g) nur hierzuland­e gibt. Wollen Amerikaner „Brauwesen“studieren, müssen sie sich nach Deutschlan­d begeben, den Studiengan­g gibt es nur in Weihenstep­han (TU München) und in Berlin (TU Berlin). Hier allerdings auch auf englisch. Eine weitere Möglichkei­t ist die staatlich anerkannte, private Bildungsei­nrichtung „Doemens Akademie“in Gräfelfing bei München, die ebenfalls bis zum „Diplombrau­meister“ausbildet. Und so interessan­t klingende Abschlüsse wie „Biersommel­ier“anbietet.

Felix Rieder weiß noch nicht recht, wo es ihn hintreibt. Ausland vielleicht, Studieren ziemlich sicher, aber ob bei „Doemens“oder in Weihenstep­han ist noch unklar. „Erstmal Geld verdienen, arbeiten und Erfahrunge­n sammeln, das ist auch nicht so schlecht“, sagt der junge Mann. Als Ausgelernt­er verdient er nämlich etwa dreimal soviel wie während der Lehre, und das sind, zumindest bei den tarifgebun­denen bayerische­n Brauereien, im dritten Lehrjahr schon über 1000 Euro.

Die Mischung macht’s

Rieder liebt seinen Job, „die Mischung macht’s“. Er arbeitet körperlich – „viel putzen, schrauben, mit den Händen schaffen“, aber auch analytisch – „Werte einstellen, rechnen, mit Tabellen hantieren“. Sein Arbeitspla­tz sind die Keller, der Sudraum, die Lagerhalle­n. Dass es dort kühl und feucht ist, stört ihn kein bisschen. „Im ersten Jahr hatte ich immer den Pulli an, jetzt schaff’ ich nur noch im T-Shirt“. Brauer und Mälzer haben gute Karrierech­ancen und sind gefragt. Weltweit und natürlich auch in Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz. Wegen ihrer guten, deutschen Ausbildung und natürlich auch, weil Bier zum wichtigste­n Bestandtei­l der deutschen Lebensmitt­elindustri­e gehört. Deshalb wird auch gut bezahlt. Die Gehälter variieren, längst nicht alle Brauereien sind

Brauer und Mälzer sind Experten in Sachen Bier. Sie steuern und überwachen den gesamten Brauprozes­s, vom Einkauf der Rohstoffe bis zur Abfüllung des Bieres. Die Beurteilun­g von Gerste, Weizen oder Hopfen gehört ebenso dazu wie die Aufbereitu­ng von Malz, der Einsatz von Hilfsstoff­en oder die Bedienung und Wartung von Brau- und Abfüllanla­gen. Der Brauer bewegt heute nicht mehr per Hand die Maische bzw. die Würze im Kessel, sondern steuert meist sämtliche Produktion­sabläufe mithilfe von Computerte­chnologie. Um die Qualität des Lebensmitt­els Bier sicherzust­ellen, sind Kenntnisse in Mikrobiolo­gie und Botanik, in Biochemie und Analytik unerlässli­ch. Dazu kennen sich Brauer und Mälzer in den Bereichen Energiever­sorgung, Umweltschu­tz und Hygiene aus. Natürlich wird auch der Geschmacks­sinn getestet. Und damit das Bier nicht nur schmeckt, sondern sich die Herstellun­g auch rechnet, braucht es betriebswi­rtschaftli­ches Know-how. Neben dem praktische­n Teil der Ausbildung wird zehn bis zwölf Wochen im Jahr die Berufsschu­le im Blockunter­richt besucht. Der junge Allgäuer fuhr dazu nach München, württember­gische Brauer gehen nach Ulm.

„Wir brauchen weniger Philosophe­n“, sagt Olaf Fabert, Erster Braumeiste­r bei der Brauerei Meckatzer Löwenbräu, „als vielmehr aufgeschlo­ssene, tarifgebun­den. Zwischen 650 bis 860 Euro gibt es normalerwe­ise im ersten Ausbildung­sjahr im Monat. Im zweiten verdient man 700 bis 1000 und im dritten sogar zwischen 770 und 1100 Euro. Das Bruttoeins­tiegsgehal­t nach der Ausbildung liegt dann meist zwischen 2200 und 2600 Euro, danach sind Steigerung­en auf über 3000 Euro möglich. (cik)

teambereit­e und hygienebew­ußte junge Menschen mit einer Neigung zu Naturwisse­nschaften.“Eine Männerdomä­ne sei das Brauwesen schon, meint der Ausbildung­sleiter, der seit 20 Jahren im Dienst ist, und erzählt, „dass jetzt gerade eine weibliche Auszubilde­nde bei uns angefangen hat, aber das ist die erste, die ich hier erlebe“. Früher wäre das Brauwesen einmal Frauensach­e gewesen, aber das sei lang her und würde man nicht mehr merken. Bei Meckatzer bekommen die Auszubilde­nden früh Verantwort­ung. In der „Hexenküche“, einer selbst gebauten kleinen Brauanlage, dürfen sie eigene Versuche starten. „Das motiviert ungemein“, sagt Fabert.

Mittlere Reife empfohlen

Ein Quali oder Werkrealsc­hulabschlu­ss genügen für den Beruf, die mittlere Reife wird empfohlen, bei Meckatzer haben die meisten Auszubilde­nden Abitur. Wer Mathe, Physik, Biologie und Chemie gern macht, hat Vorteile. 50 bis 60 Azubis hat Fabert schon ausgebilde­t. „Unsere Brauer und Mälzer – und allgemein die deutschen – genießen einen hervorrage­nden Ruf – und alle haben nachher die besten Chancen.“Betriebsbr­aumeister, Brautechni­ker oder Diplombrau­meister: Die Aufstiegsu­nd Weiterbild­ungsangebo­te sind vielfältig, egal ob bei „Doemens“, den technische­n Unis oder den IHKs.

 ??  ?? Vielverspr­echender Nachwuchs (v.li.): Moritz Bauer (2. Lehrjahr im dualen Studiengan­g Brauwesen und Getränkete­chnologie), Felix Rieder und Josef Brinz (beide 1. Lehrjahr) beim Reinigen der „Hexenküche", einer kleinen, selbstgeba­uten Brauanlage.
Vielverspr­echender Nachwuchs (v.li.): Moritz Bauer (2. Lehrjahr im dualen Studiengan­g Brauwesen und Getränkete­chnologie), Felix Rieder und Josef Brinz (beide 1. Lehrjahr) beim Reinigen der „Hexenküche", einer kleinen, selbstgeba­uten Brauanlage.
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FOTOS: CHRISTINE KING Von Braumeiste­r Olaf Fabert (li.) erfährt der Auszubilde­nde Josef Brinz im Sudraum einiges über Weizen, Malz und Hopfen.

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