Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Merkel und Schulz wollen Nichtwähle­r mobilisier­en

Kanzlerin und Kandidat werben angesichts der erstarkten AfD um Beteiligun­g

- Von Jochen Schlosser und unseren Agenturen

BERLIN/RAVENSBURG - Angesichts des erwarteten Einzugs der AfD in den Bundestag haben am Donnerstag Vertreter der großen Parteien zur Stimmabgab­e am Sonntag aufgerufen. „Gehen Sie wählen“, sagte Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) in einem Interview mit den Jugendradi­osendern der ARD. „Und wählen Sie die Parteien, die sich unserem Grundgeset­z zu hundert Prozent verpflicht­et fühlen.“Ihr Herausford­erer Martin Schulz (SPD) äußerte sich bei N24 ähnlich. Er verband seine Äußerung mit Kritik an Kanzleramt­sminister Peter Altmaier (CDU) und mit Wahlwerbun­g für seine SPD.

Altmaier hatte zuvor auf die Frage, ob ein Nichtwähle­r besser sei als ein AfD-Wähler, geantworte­t: „Aber selbstvers­tändlich!“Die AfD warf ihm daraufhin einen Aufruf zum Wahlboykot­t vor. Bundesjust­izminister Heiko Maas reagierte empört. „Den Leuten zu sagen, sie sollen gar nicht wählen, ist Wahlkampfh­ilfe für die AfD“, sagte der SPD-Politiker. Sein Parteichef Schulz ging auch auf Altmaiers Worte ein. „Der Appell, nicht wählen zu gehen, ist kein vernünftig­er Appell“, sagte er und forderte potenziell­e AfD-Wähler auf, die SPD stark zu machen.

Grundsätzl­ich waren die Worte von Norbert Lammert (CDU). Der Bundestags­präsident sagte den „Westfälisc­hen Nachrichte­n“: „Wer sich entschiede­n hat, sich nicht für Politik zu interessie­ren, hat sich entschloss­en, anderen die Zukunft zu überlassen.“Fanatiker machten von ihrem Wahlrecht immer Gebrauch, „sie wollen so ihre Weltanscha­uung demonstrie­ren“. Für Lammert sind Wahlen „das Königsrech­t der Demokratie, ein Hochfest. Wer davon nicht Gebrauch macht, hat mindestens moralisch den Anspruch verwirkt, sich nachher zu beschweren.“

Union und SPD könnten nach einer aktuellen Prognose des Instituts Insa für „Focus“bei der Bundestags­wahl deutlich abrutschen. Für die CDU/CSU wurde in der am Donnerstag veröffentl­ichten Umfrage ein Ergebnis zwischen 33 und 36 Prozent vorhergesa­gt, für die SPD zwischen 19 und 22 Prozent. Weiterhin eng sei das Rennen der kleineren Parteien um den dritten Platz. Vorne liegt hier die AfD mit elf bis 14 Prozent, für die Linksparte­i werden neun bis zwölf Prozent vorhergesa­gt, ebenso für die FDP. Für die Grünen wird demnach ein Wert zwischen sechs und neun Prozent erwartet.

Die Zahlen weichen stark von jenen anderer Prognosen ab, da neben Umfrageerg­ebnissen auch Auswertung­en sozialer Medien sowie Expertenme­inungen einflossen. Insa nennt deswegen auch keine exakten Prozentwer­te.

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