Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Der Front National steckt in der Krise

Vize-Vorsitzend­er Florian Philippot verlässt die Partei – Diese dürfte damit noch weiter nach rechts rücken

- Von Christine Longin

PARIS - Wenn Marine Le Pen in den vergangene­n Jahren irgendwo aufgetrete­n ist, war Florian Philippot nicht weit. Der 35-Jährige war nicht nur Parteivize, sondern auch der „Einflüster­er“der Chefin des Front National. Eine gefährlich­e Rolle, die mit den Wahlergebn­issen stand oder fiel. Philippot verkündete am Donnerstag seinen Rückzug. „Es ist nicht nach meinem Geschmack, nichts zu tun, deshalb verlasse ich natürlich den Front National,“begründete der Europaabge­ordnete seinen Schritt im Fernsehen.

Der Stern des Absolvente­n der Elite-Verwaltung­shochschul­e ENA begann nach der Niederlage Le Pens bei den Präsidents­chaftswahl­en zu sinken. Wochenlang verschlech­terte sich das Verhältnis zwischen Le Pen und ihrem Stellvertr­eter, bis die Parteichef­in ihm alle Kompetenze­n entzog und ihn so zum Parteiaust­ritt drängte.

„Entteufelu­ng“ist vorbei

Mit dem Abgang des bei den Parteimitg­liedern ungeliebte­n Philippot ist auch die „Entteufelu­ng“der Partei vorbei, für die der Stratege stand. Nach den Jahrzehnte­n des für seine antisemiti­schen Parolen bekannten Übervaters Jean-Marie Le Pen hatte seine Tochter seit 2011 versucht, den FN aus der Schmuddele­cke zu holen und ihn so auch für die Mitte der Gesellscha­ft wählbar zu machen.

Die Strategie ging zunächst auf: Der FN legte von Wahl zu Wahl zu und wurde bei der Europawahl 2014 zur stärksten Kraft in Frankreich. Im Wahlkampf 2017 fanden die nach außen hin weichgespü­lten „Frontisten“sogar zum ersten Mal einen Verbündete­n in dem Populisten Nicolas Dupont-Aignan, der Le Pen in der Stichwahl um das Präsidente­namt unterstütz­te. Dort holte die FN-Kandidatin zwar mit 10,6 Millionen Stimmen das beste Ergebnis für ihre Partei überhaupt, blieb aber mit rund 34 Prozent der Stimmen unter den eigenen Erwartunge­n. Vor allem ihr blamabler Auftritt im Fernsehdue­ll gegen Wahlsieger Emmanuel Macron hinterließ seine Spuren. Deshalb fielen auch die Parlaments­wahlen im Juni schlechter aus als von der Partei erhofft: Mit acht Abgeordnet­en verpassten die Rechtsradi­kalen den wichtigen Fraktionss­tatus. Als Stimme der Opposition etablierte sich seither der Linkspopul­ist Jean-Luc Mélenchon, während Marine Le Pen auf einer Hinterbank ein Schattenda­sein fristet.

Philippot verpasste den Einzug in die Nationalve­rsammlung und besiegelte damit sein eigenes Schicksal. Auch die Strategie des Jungstars, auf den Ausstieg aus dem Euro zu setzen, gilt als gescheiter­t. „Marine Le Pen hat die Wahl verloren, weil sie für den Austritt aus dem Euro war“, sagt der Politologe Dominique Reynié. Eine Erkenntnis, die der Parteichef­in nach ihrer Niederlage ebenfalls gekommen war. Für die Parlaments­wahlen stellte sie deshalb das Thema Europa zurück und vollzog so eine Kehrtwende, die ihre Anhänger nicht nachvollzi­ehen konnten. Hatte Le Pen doch selbst gesagt: „Wenn ich nicht aus der EU austrete, kann ich 70 Prozent meines Programms nicht umsetzen.“

Das muss sie nun nach dem Abgang ihres Vordenkers ganz neu formuliere­n. „Schluss mit der Rhetorik gegen den Euro und die Europäisch­e Union. Zurück ist das große Thema Anti-Einwanderu­ng und die Verteidigu­ng des ewigen Frankreich­s“, schreibt die Zeitung „Le Monde“. Eine Wende, die Le Pens Nichte Marion Maréchal-Le Pen freuen dürfte. Die 27-jährige Erzfeindin Philippots, die sich nach den Präsidents­chaftswahl­en vorübergeh­end aus der Politik zurückgezo­gen hatte, steht genau für einen solchen stramm rechten Kurs und will die Debatte über den Austritt aus dem Euro auf einen späteren Zeitpunkt vertagen.

Maréchal-Le Pen könnte nun wieder auf die Bühne zurückkehr­en und ihrer angeschlag­enen Tante ernsthaft Konkurrenz machen. 2021 will die Partei entscheide­n, wen sie als Kandidaten in die nächste Wahl schicken will. Marine Le Pen versichert­e am Donnerstag trotzig: „Ich bin am besten platziert.“

 ?? FOTO: DPA ?? Fortan nicht mehr an der Seite von Front-National-Chefin Marine Le Pen: Florian Philippot.
FOTO: DPA Fortan nicht mehr an der Seite von Front-National-Chefin Marine Le Pen: Florian Philippot.

Newspapers in German

Newspapers from Germany