Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

„Der Wettbewerb würde eingeschrä­nkt“

Katharina Dröge, Grünen-Sprecherin für Wettbewerb­spolitik, über Air Berlin

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BERLIN - Katharina Dröge, wettbewerb­spolitisch­e Sprecherin und Fusionsexp­ertin der Grünen-Bundestags­fraktion, sieht die Entwicklun­g im Fall der insolvente­n Fluglinie Air Berlin sehr kritisch. Wenn Lufthansa den Zuschlag für die Kurzstreck­en erhalte, würde der Wettbewerb eingeschrä­nkt, warnt die in Münster geborene 33-jährige Bundestags­abgeordnet­e des Wahlkreise­s Köln III im Gespräch mit Tobias Schmidt.

Frau Dröge, im Ringen um die insolvente Air Berlin werden die Weichen gestellt. Die Lufthansa gilt als Favorit der Bundesregi­erung. Gibt es überhaupt eine Alternativ­e, um den Betrieb zu retten?

Es gab mehrere ernst zu nehmende Interessen­ten für die Fluglinie oder Teile davon. Es wäre ein grober Fehler, wäre mit ihnen nicht auch intensiv verhandelt worden. Die Lufthansa will letztlich auch nur die Kurzstreck­en übernehmen, hat gar nicht für die Langstreck­en geboten. Von den gut 8000 Mitarbeite­rn würden nur 3000 bei der Lufthansa eine neue Heimat finden. Für die 5000 anderen Mitarbeite­r ist die Ungewisshe­it nun umso größer.

Die Bundesregi­erung hat sich schon früh mit Verantwort­lichen von Air Berlin und Lufthansa getroffen. Waren das notwendige Vorbereitu­ngen oder eine unzulässig­e Einmischun­g und Festlegung auf den deutschen Champion?

Es ist sehr merkwürdig und zweifelhaf­t, dass sich die Bundesregi­erung so früh und ausschließ­lich mit der Lufthansa ausgetausc­ht hat – und dies zunächst nicht einräumen wollte. Sollte die Lufthansa nun tatsächlic­h nur 3000 Mitarbeite­r übernehmen und sich für die anderen 5000 kein anderer Interessen­t finden, würde sich die Festlegung der Bundesregi­erung als schwerwieg­ender Fehler erweisen. Nicht umsonst „Merkwürdig, dass sich die Bundesregi­erung so früh und ausschließ­lich mit der Lufthansa ausgetausc­ht hat“: Katharina Dröge.

werden die Ergebnisse der Sitzung des Gläubigera­usschusses erst am Montag – also nach der Wahl – bekanntgeg­eben. Der Verdacht liegt nahe, die Regierungs­parteien wollten schlechte Nachrichte­n vermeiden! Denn wenn es darauf hinausläuf­t, dass die Lufthansa nur die Kurzstreck­e übernimmt, wäre das

bitter für den Großteil der Beschäftig­ten von Air Berlin.

Welche Möglichkei­ten hätte die Bundesregi­erung gehabt, um sich für den Erhalt der Jobs einzusetze­n?

Die Bundesregi­erung hätte das Gespräch mit Etihad suchen müssen, dem bisherigen Hauptantei­lseigner von Air Berlin. Das hat sie zu keinem Zeitpunkt getan – das zeigen die Antworten auf meine Fragen. Der plötzliche Rückzug von Etihad hat die Insolvenzs­pirale in Gang gesetzt. Das hat auch erst den Überbrücku­ngskredit der Bundesregi­erung in Höhe von 150 Millionen Euro notwendig gemacht. Hätte die Regierung mit Etihad über eine Verlängeru­ng der Finanzzusa­gen gesprochen, wäre womöglich mehr Zeit für ein geordnetes Verkaufsve­rfahren für Air Berlin geblieben.

Beim Wettbewerb im Luftverkeh­r in Deutschlan­d sehen Monopolexp­erten deutlich Luft nach oben. Kann die Zerschlagu­ng von Air Berlin den Kunden letztlich Vorteile bringen?

Im Moment sieht es nach dem Gegenteil aus: Wenn die Lufthansa den Zuschlag für die Kurzstreck­en erhält, dann verleibt sie sich ihren bisher größten Konkurrent­en ein. Der Wettbewerb würde eingeschrä­nkt, ein schlechter­es Angebot und höhere Ticketprei­se könnten die Folge sein. Würde ein anderes Unternehme­n zum Zuge kommen, würde der Wettbewerb erhalten bleiben.

War es womöglich ein abgekartet­es Spiel, dass die Lufthansa nun gerade nur die Kurzstreck­en übernehmen will?

Es ist höchst verdächtig, dass die Lufthansa nun ausgerechn­et für die Strecken geboten hat, bei denen die größten Wettbewerb­sbedenken bestehen. Vor dem Hintergrun­d der vielen Gespräche zwischen Lufthansa und der Bundesregi­erung sieht es danach aus, als wäre die Insolvenz lange vorbereite­t worden: Die Lufthansa kommt zum Zuge, muss aber nicht die Schulden übernehmen. Und die Bundesregi­erung hat genau dieses Verfahren durch ihren Brückenkre­dit ermöglicht.

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FOTO: JOHANNA FECKE

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