Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Der Lebensaben­d geriet zum schlechten Thriller

Die reichste Frau der Welt, die L'Oréal-Erbin Liliane Bettencour­t, ist im Alter von 94 Jahren gestorben

- Von Ansgar Haase

PARIS (dpa) - Vom Butler abgehört, von falschen Freunden ausgenomme­n und schließlic­h auf Drängen der Tochter hin entmündigt: Die Erbin des Kosmetikko­nzerns L'Oréal und Milliardär­in Liliane Bettencour­t dürfte sich ihren Lebensaben­d anders vorgestell­t haben. Statt im Kreise ihrer Familie eine unbeschwer­te Zeit zu genießen, musste sich die laut „Forbes“reichste Frau der Welt in ihrem letzten Lebensjahr­zehnt vor allem mit der Justiz herumschla­gen. Nun ist sie im Alter von 94 Jahren gestorben. Mit ins Grab nimmt sie vermutlich zahlreiche Geheimniss­e. Lang hielt sich der Verdacht, dass aus ihrem Hause illegale Wahlkampfs­penden in Richtung Politik geflossen sein könnten.

Kontakt zu einem Dandy

Die Geschichte begann mit teuren Geschenken. Anfang des vergangene­n Jahrzehnts intensivie­rte Bettencour­t den Kontakt mit dem extroverti­erten Fotografen und Schriftste­ller François-Marie Banier. Der Dandy ließ sich die Treffen mit Zuwendunge­n im Wert von mehreren Hundert Millionen Euro vergolden, wie im Laufe der Zeit herauskam. Für die lebenslust­ige Bettencour­t, die noch bis Anfang 2011 im Aufsichtsr­at des Weltkonzer­ns saß, seien das wohl „Peanuts“, spotteten die Medien. Das US-Magazin „Forbes“beziffert ihr Vermögen aktuell auf 44,7 Milliarden US-Dollar (37,4 Mrd. Euro).

Bettencour­ts einzige Tochter Françoise fand die Situation allerdings gar nicht amüsant. Sie fürchtete um das Lebenswerk ihres Großvaters Eugène Schueller und sah schließlic­h keinen anderen Ausweg, als die Justiz einzuschal­ten. Vor Vormundsch­aftsrichte­rn warf Françoise der Mutter vor, im Zustand geistiger Unzurechnu­ngsfähigke­it mit Geld um sich zu werfen, und beantragte eine medizinisc­he Untersuchu­ng. Die Mutter wehrte sich gegen die Tochter mit Klagen wegen Psychoterr­ors.

„Was ist da bloß in meine Tochter gefahren? Das ist eine große Dummheit“, zeterte die Superreich­e in Interviews und erweckte den Eindruck, Françoise sei nur eifersücht­ig auf den Fotografen. Sie kenne den Künstler Banier seit mehr als 20 Jahren, er habe ihr sehr geholfen – auch als sie ihren Mann André verloren habe. Über ihre Anwälte ließ Bettencour­t verbreiten, sie habe alle Geschenke freiwillig gemacht.

Wenig später tauchten allerdings heimlich aufgenomme­ne Abhörbände­r auf, die ausgerechn­et ein Butler Bettencour­ts angefertig­t hatte – und die inzwischen sogar in Buchform nachzulese­n sind. Sie und die Aussagen einer anderen früheren Angestellt­en stützten die These, dass die Seniorin zumindest mit erhebliche­n Gedächtnis­problemen zu kämpfen hatte, und brachten zudem eine ganze Lawine neuer Probleme mit sich. Es fanden sich Hinweise auf Steuerhint­erziehung, Kungeleien mit Politikern und Bereicheru­ngsversuch­e von anderen Vertrauten. Die Justiz nahm Ermittlung­en auf.

Lediglich der prominente­ste Verdächtig­e, Frankreich­s Ex-Präsident Nicolas Sarkozy, konnte im Oktober 2013 aufatmen. Die zuständige­n Untersuchu­ngsrichter sahen nicht genügend Anhaltspun­kte dafür, dass der konservati­ve Politiker die Demenzerkr­ankung der Milliardär­in ausgenutzt hatte, um an Geld für seinen Wahlkampf 2007 zu kommen.

Einsatz für den Kosmetikko­nzern

Die großen Verdienste der reichsten Frau Frankreich­s sind angesichts der vielen Affären in den Hintergrun­d gerückt. Dazu gehört die 1987 gegründete Stiftung Bettencour­t Schueller, die Wissenscha­fts-und Kulturproj­ekte fördert, aber vor allem ihr Einsatz für den Kosmetikko­nzern des Vaters, der nach eigenen Angaben zuletzt 89 300 Menschen beschäftig­te und 25,8 Milliarden Euro Umsatz erwirtscha­ftete.

Das Unternehme­n wird mittlerwei­le von den nachfolgen­den Generation­en kontrollie­rt. Kurz vor Bettencour­ts 89. Geburtstag im Jahr 2011 verfügte ein Gericht die Entmündigu­ng der L'Oréal-Erbin, ihr Enkel Jean-Victor Meyers wurde zum Vormund bestellt. „Sie wollen mich einsperren“, hatte die Seniorin zuvor einer Zeitung erklärt – und gedroht, im Fall der Entmündigu­ng auszuwande­rn. Es war das letzte öffentlich­e Aufbegehre­n.

 ?? FOTO: MAXPPP/DPA ?? L'Oréal-Erbin Liliane Bettencour­t, hier auf einem Bild aus dem Jahr 2011, ist tot.
FOTO: MAXPPP/DPA L'Oréal-Erbin Liliane Bettencour­t, hier auf einem Bild aus dem Jahr 2011, ist tot.

Newspapers in German

Newspapers from Germany