Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Das Kreuz mit dem „Gekreuzigt­en“

Museum Ulm und Pauluskirc­he widmen Adolf Hölzels Wandgemäld­e eine Doppelscha­u

- Von Antje Merke www.museum.ulm.de www.pauluskirc­he-ulm.de

ULM - Touristen in Ulm zieht es in der Regel ins Münster, zum RichardMei­er-Bau, vors Rathaus und ins Fischervie­rtel. Die wenigsten wissen, dass die Stadt auch ein einmaliges Kunstwerk der klassische­n Moderne am Bau besitzt: ein Wandgemäld­e mit dem „Gekreuzigt­en“von Adolf Hölzel, das 1910 für die Pauluskirc­he entstand. Das Museum Ulm und die Pauluskirc­he rücken jetzt den 1853 im mährischen Olmütz geborenen und 1934 in Stuttgart gestorbene­n Künstler, der Lehrer von Willi Baumeister, Oskar Schlemmer und Johannes Itten war, in einer Doppelauss­tellung ins Licht: „Mit Religion kann man nicht malen“.

Der Titel ist ein irritieren­des Zitat Hölzels. In welchem Zusammenha­ng der Künstler diese Worte gesagt hat, ist nicht überliefer­t. War ihm die Religion suspekt? War ihm die Malerei selbst Religion? Mit seinem „Gekreuzigt­en“in der Altarnisch­e der ehemaligen Garnisonsk­irche, einem beeindruck­enden Sichtbeton­bau, gibt Hölzel sich jedenfalls glaubensst­ark.

Das Ulmer Museum zeigt in einer von Eva Leistensch­neider kuratierte­n Studioauss­tellung die Vorstudien dazu. Und in der Pauluskirc­he ist das Original zu bewundern. Zugleich informiere­n dort zahlreiche Tafeln über die wechselhaf­te Geschichte des Gebäudes und seiner Ausstattun­g. Hat doch Adolf Hölzel hier zum ersten und einzigen Mal an einer Wand selbst Hand angelegt und monumental den gekreuzigt­en Christus mit kalt vermaltem Wachs auf den Putz aufgetrage­n. Diese für die Moderne eher ungewöhnli­che Technik lässt die Farben matt erscheinen, ohne dass sie mit der Zeit ihre Strahlkraf­t verlieren.

Akribische Vorarbeite­n

Hölzels Christusfi­gur hat eine strenge geometrisc­he Struktur. Der Körper ist in Gelb- und Grüntönen gehalten, die Farbpalett­e geht konsequent auf den zwölfteili­gen Farbkreis des Künstlers zurück – wie Untersuchu­ngen von Experten ergeben haben. Um das zu begreifen, sollte man aber unbedingt das Original aus nächster Nähe anschauen.

Hölzel hatte sich in zahlreiche­n Zeichnunge­n, Ölbildern und Studien detailbese­ssen auf diese Wandmalere­i vorbereite­t. Das alles lässt sich gut nachvollzi­ehen – bis auf das Schattendr­eieck und das Podest. Beide Teile wurden bei einer gründliche­n Renovierun­g der Pauluskirc­he in den 1960er-Jahren übertüncht. Man wollte so die Figur in der Altarnisch­e mehr betonen und in den Raum holen.

Womit wir beim Kreuz mit dem „Gekreuzigt­en“wären. Denn während die einen, wie etwa Pfarrer Adelbert Schloz-Dürr, am liebsten die Christusfi­gur wieder in den Originalzu­stand zurück versetzen wollen, ist für die anderen, allen voran die Mitarbeite­r von der Denkmalpfl­ege, der Prozess abgeschlos­sen. Denn heutzutage lässt man im Sinne einer Restaurier­ungsethik die Spuren der Veränderun­g stehen, da sie für den jeweiligen Zeitgeschm­ack stehen. Fundierte Details zum Forschungs­stand bietet der Katalog. Wobei anzumerken bleibt, dass sich Studio-Ausstellun­g und Buch vor allem an Kunstfreun­de richten, die gern in die Tiefe gehen. Alle anderen werden dafür mit dem „Gekreuzigt­en“in der Altarnisch­e der Pauluskirc­he ihr Aha-Erlebnis haben.

Dauer: bis 7. Januar 2018. Öffnungsze­iten Museum Ulm: Di.-So. 11-17 Uhr, Do. 11-20 Uhr. Die Pauluskirc­he in der Frauenstra­ße ist täglich außer montags geöffnet. Katalog zum neuesten Forschungs­stand: 18 Euro. Mehr unter: sowie

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FOTO: ROSE HAJDU Ausschnitt aus dem Altarbild des „Gekreuzigt­en“(1910) von Adolf Hölzel.

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