Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Als Saulgau Treffpunkt bekannter Literaten war

Vor 40 Jahren löste sich die Gruppe 47 in der Kleber Post auf – Ausstellun­g in der Stadtbibli­othek

- Von Rudi Multer

BAD SAULGAU - Literaturg­rößen zu Gast in Saulgau: Vor ziemlich genau 40 Jahren hat sich die Gruppe 47 in der Kleber Post aufgelöst. Bekannte Autoren hatten sich unter diesem Namen in der Zeit nach 1947 regelmäßig zu Austausch und Disput getroffen, auch in der Kleber Post. In Saulgau wurde auch das Ende der Gruppe besiegelt. Im September 1977 traf sich die Gruppe hier zu ihrer „Begräbnist­agung“. Aus diesem Anlass zeigt die städtische Bibliothek im Alten Kloster in Bad Saulgau derzeit eine Ausstellun­g mit Fotografie­n des Grafikers Otl Aicher. Er hat die letzte Tagung der Gruppe in Saulgau miterlebt.

Viele bekannte Schriftste­ller und Literaturg­rößen der Nachkriegs­zeit gehörten der Gruppe 47 an. Günter Grass, Heinrich Böll, Marcel ReichRanic­ki, Martin Walser, Siegfried Lenz, Hans Magnus Enzensberg­er und Ilse Aichinger gehörten zu diesem Kreis. Der Bad Saulgauer Literaturk­enner Dr. Ewald Gruber hat in seiner Broschüre „Die Gruppe 47 und Saulgau“das Wirken der Gruppe, garniert mit der einen oder anderen Anekdote, zusammenge­stellt. Er beschreibt, wie die Autoren im Austausch, aber teilweise auch in harter Auseinande­rsetzung, nach einer Neuorienti­erung nach dem Zweiten Weltkrieg suchten. Der Schriftste­ller Hans Werner Richter hatte die Gruppe gegründet und leitete sie. Erstmals trafen sich die Autoren 1947 in einem Haus am Bannwaldse­e in Füssen. Die Gastgeberi­n hatte neben ihrem Häuschen auch Zusatzverp­flegung zur Verfügung gestellt, „die auf dem Land noch zu bekommen war“, wie Ewald Gruber schreibt. Schon damals lasen und besprachen die Schriftste­ller Texte.

Zweimal jährlich kam die Gruppe in den folgenden Jahren in preiswerte­n Unterkünft­en zusammen. 1950 war die Gruppe im Volksschul­heim in Inzigkofen zu Gast. „Dessen Leiter hatte deutsche Dichter erwartet und war entsetzt, als ,eine Horde von Vagabunden’ anrückte“, schreibt Ewald Gruber. Als sich die Gruppe im Jahr 1963 in der Kleber Post traf, so Gruber, „sahen die Schriftste­ller bürgerlich­er aus und konnten sich ein gutes Hotel leisten“. Ein Höhepunkt des Treffens seien „neue aphoristis­ch prägnante Gedichte von Erich Fried“gewesen. Der bekannte Poet stieß in Saulgau zu der Gruppe. Auch hatte Richter sowjetisch­e Autoren eingeladen, die in ihrer Heimat nicht publiziere­n durften. Das sich wandelnde Literaturv­erständnis hatte laut Gruber später tiefgreife­nde Meinungsve­rschiedenh­eiten zur Folge.

Die Gruppe 47 verlor an Zusammenha­lt. Hans Werner Richter lud 1977 zum letzten Treffen nach Saulgau ein. Ewald Gruber: „Etwas wehmütig las man sich vor wie in alten Zeiten“.

Eine Begleitver­anstaltung zur Ausstellun­g beginnt am Dienstag, 26. September, um 19 Uhr in der Stadtbibli­othek in Bad Saulgau. Claudia Boss wird nach einer Einführung zur Gruppe 47 eine Dokumentat­ion zu der Gruppe zeigen.

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FOTO: OTL AICHER Auch der inzwischen verstorben­e Literaturp­apst Marcel Reich-Ranicki war beim letzten Treffen der Gruppe 47 in Saulgau dabei.
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FOTO: RUPERT LESER Die Literaten schätzten das Ambiente der Kleber Post.

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