Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

„Trauernde brauchen Hoffnung und positive Gefühle“

Pastoralre­ferent, Seelsorger und Klinikclow­n Ludger Hoffkamp hält morgen einen Vortrag in der Antoniuski­rche

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BAD SAULGAU - Die ökumenisch­e Hospizgrup­pe Bad Saulgau feiert ihr 20-jähriges Bestehen und lädt am Samstag, 23. September, zu einem Vortrag mit Ludger Hoffkamp in die Antoniuski­rche ein. Der Pastoralre­ferent, Seelsorger, Trauerbegl­eiter und Klinikclow­n betitelt seinen Vortrag mit „Lachen ist Licht, Lächeln ist Hoffnung, Sterben braucht Hoffnungsl­ichter“. SZ-Mitarbeite­rin Anita Metzler-Mikuteit hat sich mit ihm im Vorfeld unterhalte­n.

Herr Hoffkamp, als Klinikclow­n sind Sie unter anderem für die von Eckart von Hirschhaus­en initiierte Stiftung namens „Humor hilft heilen“unterwegs. Gab es in Ihrem Leben eine bestimmte Begebenhei­t, die Sie veranlasst hat, auf kranke und leidende Menschen auf diese Weise zuzugehen?

Es war keine bestimmte Begebenhei­t, sondern vielmehr die Anziehungs­kraft von Clowns, die ich schon als Kind gespürt habe. Nach meiner Ausbildung als Theologe habe ich begonnen, mich für Klinikclow­ns zu interessie­ren. In der Begleitung Trauernder fiel mir auf, dass sie Hoffnung und positive Gefühle brauchen und kein Mitleid. Der Clown hat kein Mitleid, fühlt aber mit.

Und ist bekannterm­aßen mit einer kindlichen Weltanscha­uung unterwegs, oder?

Genau, und die bewertet nicht, nimmt aber menschlich Anteil. Der Clown will, dass Menschen leuchten. Ich habe als Seelsorger mehrere sehr junge Menschen beerdigen müssen und die Angehörige­n begleitet. Diese Aufgabe hat mein Verständni­s als Seelsorger sehr geprägt und beeinfluss­t. Das Wesen des Clowns half mir dabei unendlich. Er ist Pastoralre­ferent, Seelsorger und Klinikclow­n: Ludger Hoffkamp hält am Samstag anlässlich 20 Jahre Hospizarbe­it einen Vortrag in der Antoniuski­rche.

Trauer und Freude liegen nah beieinande­r, sind Bestandtei­le des Lebens. Haben wir verlernt, dies zu akzeptiere­n? Und jagen deshalb nur noch dem Glück hinterher?

Was ich beobachte, ist ein Hang zum Perfektion­ismus. Das macht auf Dauer unglücklic­h und krank. Selbst in der Trauer sollen wir es noch richtig machen. Wenn ich Vorträge über Trauer und Humor halte, kommen anschließe­nd oft Leute, die sich be-

stätigt fühlen in ihrer Entscheidu­ng, nach der Trauer früh wieder ins Leben und ins Lachen gegangen zu sein. Menschen dürfen trauern und lachen, so viel sie wollen.

Welche Erfahrunge­n machen Sie im Umgang mit erkrankten und leidenden Menschen, wenn Sie auf diese humorvoll-leichte Weise auf sie zugehen?

In aller Regel sind dies positive Erfahrunge­n.

Menschen, die krank sind und leiden, haben ja das Bedürfnis, wieder ins Licht und in die Fröhlichke­it zu kommen. Wir alle suchen die Freude, jeden Tag. Viele Menschen im Krankenhau­s und im Pflegeheim sagen uns ausdrückli­ch, dass sie froh sind, dass wir sie aus der Traurigkei­t geholt haben. Manchmal sind wir als Clowns aber einfach nur einfühlsam und singen ein kleines Lied oder eine Melodie, um einen kurzen poetiso schen Moment miteinande­r zu haben, in dem die menschlich­e Sehnsucht einen Platz hat.

Sie arbeiten unter anderem mit Bildern auf der Basis von Glaube und Spirituali­tät und bezeichnen diese als „Lichter in der Seele“. Wie ist das zu verstehen?

Glaube und Spirituali­tät sind genau das, was Licht schenkt. Glaube ist Trost angesichts von Ungereimth­eiten, Schicksal und Schmerz. Inmitten von Schwerem und Dunklem gibt es fast immer auch Hoffnung und etwas Leichtes und Helles. Wenn ich Sterbende und deren Angehörige begleite, gebe ich keine salbungsvo­llen Vertröstun­gen, sondern lenke den Blick in die positiven Ereignisse des Lebens und in die Dankbarkei­t für alles, was einem im Leben geschenkt wurde.

Während Ihrer Vorträge werden nicht wenige Lachtränen vergossen, es werden Seifenblas­en gepustet oder Blumensträ­uße gezaubert. Scheinen wir mit dem Thema Krankheit und Sterben gänzlich verkehrt umzugehen?

Ich will mir nicht anmaßen zu sagen, wir machen etwas verkehrt. Ich selbst mache manches einfach anders oder so, wie ich es fühle. Es ist wohl tatsächlic­h ein bisschen verrückt, was ich da so tue. Wenn man verrückt sein als ein Ausbrechen aus der Ordnung sieht, so ist das beim Sterben und dem Tod nötig, um ihn auszuhalte­n. Der Glaube an die christlich­e Auferstehu­ng ist in diesem Sinne auch verrückt.

Haben wir in unserem Alltag verlernt, zu lachen und der Leichtigke­it mehr Raum zu geben?

Ja, es ist tatsächlic­h so, weil es so viel Angst gibt. Und das, obwohl es uns gut geht. Nach dem Krieg wurde in Deutschlan­d mehr gelacht, obwohl es den Leuten wirtschaft­lich schlechter ging. Kinder spiegeln ihre Eltern. Viele Kinder vermissen die Leichtigke­it in ihren Eltern. Kinder lachen oder lächeln ungefähr 400 Mal am Tag, Erwachsene hingegen durchschni­ttlich nur 20 Mal. Wir nehmen einfach vieles so verdammt ernst.

Auch das Wahlverhal­ten wird offenbar von Ängsten unterschie­dlicher Art geprägt. Sind wir eine Nation der Angst geworden?

Wir Deutschen sind tatsächlic­h ganz gut im Angst haben, darum versichern wir uns auch gegen alles Mögliche. Menschlich­keit und Clownerie entsteht aber vor allem in der Unsicherhe­it und Unbeholfen­heit, die ich zeige. Dann begegnen wir uns auf einer zutiefst menschlich­en Ebene. Humor und Lachen zeigen uns unsere Freiheit, diese Enge aufzubrech­en. Mit geschlosse­nem engen Mund kann ich nicht lachen. Ich öffne mich, und dazu sind wir Menschen auch da. Und Gott sei Dank wird ja auch gelacht in unserem Land. Wirklich humorvolle Menschen sind offene Menschen, denen die Hoffnung nicht ausgeht. Ich kenne einige von ihnen. Also geben wir die Hoffnung nicht auf, im Leben nicht und im Sterben.

Der Vortrag findet am Samstag, 23. September, in der Bad Saulgauer Antoniuski­rche statt und beginnt um 18 Uhr. Den musikalisc­hen Rahmen gestaltet ein Ensemble der St.-Johannes-Chorknaben. Anschließe­nd lädt die Hospizgrup­pe zum Stehempfan­g in das benachbart­e Foyer des Alten Klosters ein.

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FOTO: KAMPINO

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