Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Verpixelung trotz Geständnis gerechtfertigt
STRASSBURG (epd) - Durfte ein Potsdamer Richter Redaktionen dazu verpflichten, das Gesicht eines Angeklagten auf Bildern vom Prozess unkenntlich zu machen? Ja, urteilte nun der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte.
Medien dürfen das Gesicht eines Angeklagten in einem Mordprozess nicht unter allen Umständen zeigen, selbst wenn dieser bereits gestanden hat. Der Medienkonzern Axel Springer und der Sender RTL unterlagen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in einem entsprechenden Fall. Der deutsche Vorsitzende Richter, der das Verbot 2011 angeordnet hatte, habe das öffentliche Interesse und die Persönlichkeitsrechte des jungen Mannes korrekt abgewogen, erklärten die Richter des EGMR in Straßburg einstimmig. Der Springer-Konzern bedauerte das Urteil.
Der Mann war in Potsdam des Mordes an seinen Eltern angeklagt und wurde deswegen später auch verurteilt. Bei der Polizei und zum Prozessauftakt gestand er die Tat. Dessen ungeachtet verfügte der Richter, dass bei dem Gerichtsverfahren aufgenommene Bilder seines Gesichts nur unkenntlich gemacht in Presse und Rundfunk verbreitet werden dürften.
Springer und RTL wollten sich damit jedoch nicht abfinden. Die Medienkonzerne machten insbesondere geltend, dass der Angeklagte schon zum Prozessauftakt ein Geständnis abgelegt habe. Der damalige deutsche Richter und nun die Richter des EGMR beurteilten die Lage anders. Der EGMR betonte insbesondere, dass das öffentliche Interesse an dem Prozess vergleichsweise gering und der Mann keine „öffentliche Person“gewesen sei. Bilder seiner äußeren Erscheinung hätten zudem die Diskussion über den Fall nicht bedeutsam vorangebracht.
„Wir sind nach wie vor der Auffassung, dass es einen gravierenden Eingriff in die Meinungs- und Pressefreiheit darstellt, wenn deutsche Gerichte es verbieten, über das Strafverfahren gegen einen geständigen Mörder in Ton und Bild zu berichten“, erklärte ein Sprecher des Springer-Konzerns nach der Urteilsverkündung. Ob der Verlag in Berufung gehen will, teilte er nicht mit.