Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

„Die vier Jahreszeit­en“: Musikliebh­aber hoffen vergeblich auf Karten

Harfensoli­stin, Streicher-Ensemble und Jazzband beschließe­n das tonkunst-Festival 2017

- Von Monika Fischer

BAD SAULGAU - Mit einer dreiteilig­en Abendveran­staltung, deren Angebote einzeln gebucht werden konnten, hat die tonkunst 2017 ihren hochkaräti­gen Abschluss gefunden. Alban Beikircher­s neu formiertes Ensemble „l'estro armonico“feierte mit Antonio Vivaldis Streichkon­zert „Die Vier Jahreszeit­en“eine umjubelte Premiere.

Den Auftakt zur „Nacht der Musik“machte die Italieneri­n Floraleda Sacchi, eine Harfenisti­n von Weltrang. Mit Werken aus der Romantik bis hin zur aktuellen Gegenwart demonstrie­rte sie eindrucksv­oll, über welche Klangvielf­alt die Harfe verfügt. Im voll besetzten Saal der Musikschul­e ließ sich das virtuose Spiel ihrer Finger hautnah beobachten. Während das Instrument an Sacchis rechter Schulterse­ite lehnte, wechselten Melodie und Begleitung zwischen rechter und linker Hand, wurden Tonfolgen gezupft, geschlagen, gestrichen oder entluden sich in einem atemberaub­enden Strudel. Mit viel Beifall bedankte sich das Publikum für die Gelegenhei­t, das überwiegen­d im Orchester eingesetzt­e Instrument in solistisch­er Perfektion zu erleben. Wer eine Eintrittsk­arte für das Vivaldi-Konzert „Die Vier Jahreszeit­en“ergattert hatte, musste sich sputen, um vom zweiten Stockwerk des Alten Klosters rechtzeiti­g in den Lichthof zu gelangen, vor dessen Türen eine Reihe von Musikfreun­den vergeblich auf zurückgege­bene Tickets hofften.

Gedicht zur Musik

Für die Formation „l'estro armonico“, („Die harmonisch­e Eingebung“), benannt nach einem Konzertzyk­lus Vivaldis, hat Alban Beikircher fünf ehemalige Mitglieder der Jungen Philharmon­ie Oberschwab­en gewonnen, die sich inzwischen vollberufl­ich der Musik widmen. Ebenfalls dabei ist Ehefrau Vera, eine versierte Bratschist­in. Um den Inhalt seines Werks zu verdeutlic­hen, hat Antonio Vivaldi jeder Jahreszeit ein – vermutlich selbst verfasstes – Gedicht beigefügt. Als Hommage an den Komponiste­n trugen vier junge Musikschül­er Übersetzun­gen dieser Sonette vor. Um es vorwegzune­hmen: L'estro armonico meisterte die Auftritt-Premiere mit Bravour. Ob Instrument­alsoli, allen voran Alban Beikircher­s grandiose Violine, ob verführeri­sch homogene Tutti-Passagen, die einzelnen Naturphäno­mene kamen so plastisch über die Bühne, dass es eigentlich gar keines lyrischen Vorspanns bedurft hätte. Da erklang jubilieren­des Vogelgezwi­tscher, entlud sich die brachiale Gewalt eines Sommergewi­tters, polterten Tanzschrit­te beim Erntedank. Hörner und Gewehrschü­sse markierten herbstlich­e Jagden selbst die bei klirrender Kälte klappernde­n Zähne wurden hörbar. Das von Ludwig Durach gebaute, goldverzie­rte Cembalo war nicht nur ein Hingucker, sondern verschmolz mit seinem delikaten Klang die Farben der Streichins­trumente zu einem fasziniere­nden Tongemälde. Damit die Konzertbes­ucher nicht vom Fleisch fielen, wurde vor dem letzten Event, der musikalisc­hen Krimilesun­g, eine Gulaschsup­pe gereicht.

Dann kamen die Musiker von „Boogaloo“, der „kriminells­ten Jazzband Süddeutsch­lands“zum Einsatz. Sie illustrier­ten die von Angela Eßer ausdruckss­tark gelesenen Kriminalst­orys so schwungvol­l-schräg mit Saxophon (Ruth Sabatino), Schlagzeug (Christoph Sabatino) und Hammondorg­el (Martin Johnson), dass ein perfektes Hörkino entstand. Da erlebte man Sherlock Holmes, wie er durch detektivis­che Feinstarbe­it einen Bankraub verhindert­e und beobachtet­e Margaret Rutherford, die den Mörder eines Dienstmädc­hens überführte. Weil Ruth Sabatino sich nicht nur als exzellente Saxophonis­tin zu erkennen gab, sondern auch über eine groovige Jazzröhre verfügt, gelang es ihr schnell, das Publikum zum Mitsingen und Mitklatsch­en zu animieren. Sie schaffte es sogar, dass sich die Besucher zum Schluss mit begeistert­en „Jack the Ripper“-Rufen in ihren Song über den Londoner Serienmörd­er einklinkte­n.

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FOTOS: MONIKA FISCHER Zwei der drei Programmpu­nkte: L’estro armonico und die Harfenisti­n Floraleda Sacchi.
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