Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Doris Kurz findet beim Pilgern die Nähe zu Gott
Sigmaringerin begibt sich alleine auf Pilgerreisen – Ein Wunschziel ist Jerusalem
SIGMARINGEN - Geschafft. Mit dem Pilgerpass wieder einmal vollgestempelt, ist Doris Kurz vor Kurzem von ihrer vierten großen Pilgerreise nach Sigmaringen zurückgekehrt. Nachdem die gebürtige Schweizerin in den Jahren davor in drei Etappen den Jakobsweg von Zuhause bis nach Santiago de Compostela gegangen war, zog es sie dieses Jahr in die andere Richtung nach Süden. 52 Tage und fast 1200 Kilometer lang war sie zu Fuß auf der Via Francigena, dem sogenannten Frankenweg, unterwegs, von Lausanne über den verschneiten St. Bernhard bis nach Rom.
Fernwege haben die 59-Jährige schon als junges Mädchen fasziniert, doch dann lernte die Arzthelferin und Malerin ihren Mann, den Orthopäden Armin Kurz kennen. Sie gründeten eine Familie und zogen nach Sigmaringen. Als dann die beiden Kinder aus dem Haus waren, die Schwiegermutter, die sie gepflegt hatte, der Vater und auch die Katze verstorben waren, war die Zeit aber gekommen. Sie wurde nun zu Hause nicht mehr so sehr gebraucht und machte sich auf den Weg. „Wenn das Leben so schnell vorbei sein kann, darf ich nicht länger warten, auch etwas für mich zu tun.“
Ihren ersten Abschnitt des Jakobswegs ging sie 2014 von Haustür zu Hautür nach Blumenstein an ihr Elternhaus in der Nähe von Bern. Kurz nach ihrer Rückkehr verstarb auch noch ihr Mann überraschend. „Ich hatte den Impuls zu flüchten, sofort wieder loszuziehen, aber ich musste erst einmal alles regeln“, sagt Kurz und fügt hinzu: „Ich hatte ja auf dem Pilgerweg gelernt: Ein Schritt nach dem anderen!“
Sie schätzt Begegnungen
Erst im Jahr darauf, am Ostermontag, wie es zu ihrer Angewohnheit werden sollte, begab sich die Witwe wieder auf Pilgerreise, von Blumenstein nach Pamplona. „In Spanien fühlt man sich auf dem Jakobsweg wie das Mitglied einer großen Pilgerfamilie“, sagt sie. Auch wenn sie Begegnungen und Bekanntschaften auf der Reise schätzt, geht sie dennoch am liebsten alleine. „Da muss man auf niemanden Rücksicht nehmen, planen oder sich anpassen, man kann in seinem eigenen Rhythmus gehen, und man ist frei“, sagt die Pilgerin.
Selbst gesteckte Ziele erreichen
Sie liebt es, morgens früh zu Fuß aufzubrechen, abends am selbst gesteckten Ziel anzukommen, unterwegs die Kultur sowie Land und Leute kennenzulernen und vor allem: „Zur Ruhe zu kommen.“Das Pilgern hat sie nämlich verändert. „Ich bin gelassener und ruhiger geworden, ich will nun nicht mehr alles auf einmal tun“, erzählt Kurz. Aber auch ihre Religiosität und ihr Glauben haben sich verändert. „Während des Pilgerns fühle ich mich näher bei Gott, von ihm beschützt, aufgehoben und sicher“, erzählt sie.
Die Protestantin fühlt sich mittlerweile auch vom Katholizismus angezogen. Zwar war ihr die Heiligenverehrung früher fremd, aber als sie im vergangenen Jahr an Ende ihrer dritten Pilgerreise in Santiago de Compostela ankam, fand sie es spirituell sehr beeindruckend, in der Kathedrale vor den Gebeinen des Heiligen Jakobus zu stehen. Doch fühlte sie sich gleichzeitig auch ausgeschlossen: „Ich durfte als Evangelische nicht die Kommunion empfangen. Das fand ich traurig, denn ich wollte gerne am gesamten Gottesdienst teilnehmen.“Früher habe sie nicht gern über Gott gesprochen, aber heute bedeutet es Kurz viel, sich intensiv über religiöse Themen auszutauschen. Das tut sie auch regelmäßig mit ihrem spirituellen Begleiter Bruder Jakobus Kaffanke vom Kloster Beuron, per E-Mail auch auf ihren Pilgerreisen. Im Pilgerverein des Benediktinerklosters engagiert sie sich wiederum für andere Pilger und vermittelt denen, die im Donautal unterwegs sind, Übernachtungsmöglichkeiten. Zudem kümmert sie sich um die bessere Beschreibung der hiesigen Pilgerwege.
Sie selbst träumt nun von einer Pilgerreise nach Jerusalem. Nächstes Jahr wird Kurz 60 Jahre alt. Grund genug, sich während der nächsten Reise klarer über ihren eigenen Lebensweg werden: „Was fange ich mit dem letzten Drittel meines Lebens an? Was kann ich Gutes tun?“Auf jeden Fall nicht stehen bleiben, da ist sie sich schon sicher, denn eines hat sie festgestellt: „Pilgern macht süchtig. Man will immer weiter gehen.“