Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Starker Strom für die Energiewen­de

Netzbetrei­ber verstärkt Leitungen im Landkreis Ravensburg – Hoher Planungsau­fwand

- Von Jan Peter Steppat

KREIS RAVENSBURG - Weil an der Küste produziert­er Windstrom künftig auch nach Süddeutsch­land und Österreich transporti­ert werden soll, verstärkt der Stromnetzb­etreiber Amprion sein Höchstspan­nungsnetz. Betroffen ist auch eine Trasse, die durch den Landkreis Ravensburg geht. Rein physisch geht es dabei „nur“um den Austausch von Seilen zwischen bestehende­n Masten, der planerisch­e Aufwand ist aber enorm.

Für Jörg Weber von der Unternehme­nskommunik­ation/Energiepol­itik des Dortmunder Unternehme­ns ist klar: Der Netzausbau ist ein Mosaikstei­n im Zuge der Energiewen­de. „Früher wurden die Kraftwerke dort gebaut, wo sie gebraucht wurden, heute müssen wir den Strom da abholen, wo er entsteht“, sagt Weber. Das heißt: Windenergi­e eher im Norden, Strom aus Sonne vornehmlic­h im Süden. Klar ist auch: Nicht überall war der Netzausbau in der jüngeren Vergangenh­eit auf Beifall gestoßen. Kritik gab es vor allem dort, wo es um den Bau neuer Trassen ging, vor allem in Bayern.

Es geht um 88 Kilometer

Das Projekt, das Amprion angeht, befindet sich im Großen und Ganzen auf dem Gebiet Baden-Württember­gs. Außerdem baut das Unternehme­n seinen Teil der seit Jahrzehnte­n bestehende­n Hochspannu­ngsleitung von 220 auf 380 Kilovolt (kV) aus. Dass der planerisch­e und kommunikat­ive Aufwand enorm ist, wurde bei einem Termin mit Amprion-Vertretern in Wangen deutlich.

Konkret geht es um 88 Kilometer Trasse aus den 1950er- und 1960erJahr­en, die in den kommenden Jahren für rund 78 Millionen Euro aufgerüste­t werden sollen. Unterteilt ist das Projekt in zwei Abschnitte: Auf einer 13 Kilometer langen Strecke zwischen dem Punkt Wullenstet­ten im bayerische­n Senden bei Neu-Ulm bis zur Umspannanl­age Dellmensin­gen im baden-württember­gischen Erbach in der Nähe von Ulm soll auf bislang leeren Mast-Traversen ein neuer 380 kV-Stromkreis aufgelegt werden. In einem zweiten, wesentlich längeren Abschnitt geht es von dort bis zum Punkt Niederwang­en, konkret in Obermoowei­ler. Auf diesen 75 Kilometern befinden sich derzeit zwei Stromleitu­ngen. Eine bereits bestehende, Transnet BW gehörende Höchstspan­nungsleitu­ng von 380 kV und ein 220 kV starker Stromkreis von Amprion. Letzteren will der Dortmunder Netzbetrei­ber durch den „Umbeseilun­g“genannten Austausch der entspreche­nden Leitungen ebenfalls auf Höchstspan­nungsnivea­u bringen.

Im Wissen um die Ablehnung – neuer – Höchstleis­tungsstrom­trassen anderswo hat Amprion ein umfassende­s Kommunikat­ionskonzep­t aufgelegt, um Offenheit und Transparen­z zu gewährleis­ten. So waren Unternehme­nsvertrete­r bereits in diversen Rathäusern der Region. Auch wollen sie alle am Verfahren Beteiligte­n – über das gesetzlich vorgeschri­ebene Maß hinaus – mitnehmen und auf dem Laufenden halten. Dazu gehört auch die Informatio­n von betroffene­n Grundstück­seigentüme­rn, Anwohnern, Institutio­nen und der Menschen, die rechts und links der Trasse leben.

Ähnlichen Aufwand für die Trassenauf­rüstung betreibt Amprion beim Genehmigun­gsverfahre­n. Da sich 1,5 Kilometer des Projekts auf bayerische­s Gebiet beziehen, ist dafür nicht das baden-württember­gische Regierungs­präsidium (RP) Tübingen zuständig, sondern die Bundesnetz­agentur. Dort soll nach Bekunden von Amprion allerdings das vereinfach­te Verfahren der Bundesfach­planung genügen. Laut Projektlei­ter Carsten Stiens geht es um eine „einfache Maßnahme mit der Zu- und Umbeseilun­g, die den Eingriff für Mensch und Natur so gering wie möglich hält“. Gleichwohl seien auch das RP Tübingen sowie die Regierung von Schwaben eingeschal­tet worden. Ihr bisheriges Fazit, laut Stiens: „Die sehen das relativ entspannt.“

Denn er und Jörg Weber gehen davon aus, dass konkret vor Ort relativ wenige Eingriffe in Landschaft und Natur nötig sein werden. Dazu gehört die Überprüfun­g der Maststando­rte. Auch müssen Fachleute diese erreichen, um die Leitungen auszuwechs­eln, zum Beispiel im Hinblick auf starken Wind und Eisbelastu­ngen. Und: „Vielleicht stellen wir fest, an der einen oder anderen Stelle zusätzlich­e Vogelabwei­ser zu machen“, sagt Carsten Stiens. Etwa im Wurzacher Ried. Ansonsten liefen die Bauarbeite­n vor allem „oben“, also auf Leitungshö­he.

Verfahren in zwei Stufen

Stiens und Weber rechnen vor diesen Hintergrün­den nicht mit größeren Widerständ­en: „Es ist ein großer Unterschie­d, ob wir über eine neue Leitung reden, oder ob neue Seile eingezogen werden“, sagen sie. Überhaupt: Würde Amprion die bestehende­n in gleicher Stärke ersetzen und sie nicht aufrüsten, bräuchte es überhaupt keine Genehmigun­g.

So aber arbeitet der Netzbetrei­ber mit einem zweistufig­en Verfahren. Geht es nach dessen Kalkulatio­nen, wird der Antrag auf Bundesfach­planung im zweiten Halbjahr 2017 gestellt. Spätestens 2018 könnte es abgeschlos­sen sein. Das darauf folgende Planfestst­ellungsver­fahren soll 2018 oder 2019 über die Bühne gehen. Die Aufrüstung selbst plant Amprion für 2019 oder 2020. In drei Jahren könnte es auch ein Höchstspan­nungsnetz von Amprion im Württember­gischen Allgäu geben.

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GRAFIK: RIC So verläuft die Trasse.

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