Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Landwirte haben dieselben Sorgen
Martin Neher besucht einen kroatischen Milchbauern und macht eine Entdeckung
NOVSKA - Sie trennen knapp 850 Kilometer und drei Landesgrenzen. Ohne die Hilfe eines Dolmetschers würden sie sich kaum verstehen. Und doch entdecken die beiden Landwirte Martin Neher aus Granheim und Stjepan Spahić aus dem kroatischen Novska auf Anhieb eine Menge Gemeinsamkeiten. Der Milchpreis macht ihnen Sorgen und sie treibt der Gedanke um, ob ihr Hof auch in Zukunft noch eine Familie ernähren kann.
„Ein toller, moderner Stall“, lobt Neher, als Spahić ihn mit auf eine Hofführung nimmt. Wie Neher bewirtschaftet sein kroatischer Kollege rund 100 Hektar Land und möchte bald auch wieder 100 Milchkühe halten. Im Moment sind es 40 weniger. Während Neher aber Eigentümer der kompletten Flächen ist, hat Spahić 80 Prozent des Landes vom kroatischen Staat gepachtet. 8000 Euro zahlt er dafür im Jahr. Beide sind jedoch komplett abhängig vom Milchpreis. „Wenn der um zehn Cent fällt und über ein Jahr auf diesem niedrigen Niveau bleibt, ist das bei meiner Produktion von einer Million Liter im Jahr ein Verlust von 100 000 Euro“, sagt Neher. „Das Geld fehlt mir dann für Investitionen oder vielleicht kann ich einen Bankkredit nicht mehr bedienen.“Spahić nickt. Das kommt ihm bekannt vor. Er hat wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage Tiere abgeben müssen.
Preisschwankungen standhalten
Auf beiden Höfen ist die gesamte Familie in die Arbeitsabläufe eingebunden. Die Ehefrauen packen mit an und die Kinder übernehmen Aufgaben. Während Neher eine Melkhilfe und saisionabhängig Hilfskräfte beschäftigt, hat der Kroate zwei Festangestellte und einen erwachsenen Sohn, der den Hof übernehmen soll. „Für mich ist ein Familienbetrieb nur überlebensfähig, wenn möglichst wenige externe Mitarbeiter angestellt werden“, sagt Neher. „Sonst bin ich Preisschwankungen auf dem Markt noch mehr ausgeliefert.“Er will sich über den Bau von drei Ferienhäusern ein zweites Standbein im Tourismussektor aufbauen. „Ferien auf dem Bauernhof ist in Granheim eher möglich als beispielsweise eine Milchtankstelle, weil wir keine Durchfahrtsstraße haben“, sagt er. Für seinen kroatischen Kollegen wäre das keine Option. „Wir arbeiten hart weiter und hoffen, dass das Geld reicht“, sagt er. Seine Familie hält auch einige Schweine, die für den Eigenbedarf geschlachtet werden. Neher darf selbst gemachte Wurst, Schinken und Käse probieren und dazu natürlich auch einen Schnaps.
Vorher hat Martin Neher aber noch eine ganz besondere Entdeckung gemacht. „Die Futtersilage ist ja gar nicht mit einer Folie abgedeckt“, sagt er und steht staunend vor einem Silageberg. „Die oberste, nicht verwertbare Schicht ist aber nur ganz dünn. Wie geht das?“Er selbst müsse seine Silage aufwendig mit mehreren Folienschichten und 150 Sandsäcken abdichten, um sie zu erhalten. Spahić lacht. Simple Bierhefe sei die Lösung. Sie vergäre und dichte alles so ab, dass keine Luft an die Silage käme und nichts verschimmele. „Warum macht das bei uns denn keiner?“, fragt sich Neher ganz aufgeregt und würde das am liebsten gleich selbst austesten. „Aber ich bin für dieses Jahr mit der Silage schon fertig“, sagt er. Aber im kommenden Jahr könne er sich ein Experiment durchaus vorstellen.
Der Abschied fällt herzlich aus und ist mit der Einladung der kroatischen Bauernfamilie nach Granheim verbunden. Spahić schlägt die Hände über dem Kopf zusammen. Den Hof allein lassen? Das würde ihm sogar schwer fallen, wenn seine Frau daheim blieb. Neher nickt verständnisvoll. Ihm ist das schließlich auch nicht leicht gefallen.
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