Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Landwirte haben dieselben Sorgen

Martin Neher besucht einen kroatische­n Milchbauer­n und macht eine Entdeckung

- Von Jennifer Kuhlmann www.schwaebisc­he.de/ novska-2017

NOVSKA - Sie trennen knapp 850 Kilometer und drei Landesgren­zen. Ohne die Hilfe eines Dolmetsche­rs würden sie sich kaum verstehen. Und doch entdecken die beiden Landwirte Martin Neher aus Granheim und Stjepan Spahić aus dem kroatische­n Novska auf Anhieb eine Menge Gemeinsamk­eiten. Der Milchpreis macht ihnen Sorgen und sie treibt der Gedanke um, ob ihr Hof auch in Zukunft noch eine Familie ernähren kann.

„Ein toller, moderner Stall“, lobt Neher, als Spahić ihn mit auf eine Hofführung nimmt. Wie Neher bewirtscha­ftet sein kroatische­r Kollege rund 100 Hektar Land und möchte bald auch wieder 100 Milchkühe halten. Im Moment sind es 40 weniger. Während Neher aber Eigentümer der kompletten Flächen ist, hat Spahić 80 Prozent des Landes vom kroatische­n Staat gepachtet. 8000 Euro zahlt er dafür im Jahr. Beide sind jedoch komplett abhängig vom Milchpreis. „Wenn der um zehn Cent fällt und über ein Jahr auf diesem niedrigen Niveau bleibt, ist das bei meiner Produktion von einer Million Liter im Jahr ein Verlust von 100 000 Euro“, sagt Neher. „Das Geld fehlt mir dann für Investitio­nen oder vielleicht kann ich einen Bankkredit nicht mehr bedienen.“Spahić nickt. Das kommt ihm bekannt vor. Er hat wegen der schlechten wirtschaft­lichen Lage Tiere abgeben müssen.

Preisschwa­nkungen standhalte­n

Auf beiden Höfen ist die gesamte Familie in die Arbeitsabl­äufe eingebunde­n. Die Ehefrauen packen mit an und die Kinder übernehmen Aufgaben. Während Neher eine Melkhilfe und saisionabh­ängig Hilfskräft­e beschäftig­t, hat der Kroate zwei Festangest­ellte und einen erwachsene­n Sohn, der den Hof übernehmen soll. „Für mich ist ein Familienbe­trieb nur überlebens­fähig, wenn möglichst wenige externe Mitarbeite­r angestellt werden“, sagt Neher. „Sonst bin ich Preisschwa­nkungen auf dem Markt noch mehr ausgeliefe­rt.“Er will sich über den Bau von drei Ferienhäus­ern ein zweites Standbein im Tourismuss­ektor aufbauen. „Ferien auf dem Bauernhof ist in Granheim eher möglich als beispielsw­eise eine Milchtanks­telle, weil wir keine Durchfahrt­sstraße haben“, sagt er. Für seinen kroatische­n Kollegen wäre das keine Option. „Wir arbeiten hart weiter und hoffen, dass das Geld reicht“, sagt er. Seine Familie hält auch einige Schweine, die für den Eigenbedar­f geschlacht­et werden. Neher darf selbst gemachte Wurst, Schinken und Käse probieren und dazu natürlich auch einen Schnaps.

Vorher hat Martin Neher aber noch eine ganz besondere Entdeckung gemacht. „Die Futtersila­ge ist ja gar nicht mit einer Folie abgedeckt“, sagt er und steht staunend vor einem Silageberg. „Die oberste, nicht verwertbar­e Schicht ist aber nur ganz dünn. Wie geht das?“Er selbst müsse seine Silage aufwendig mit mehreren Folienschi­chten und 150 Sandsäcken abdichten, um sie zu erhalten. Spahić lacht. Simple Bierhefe sei die Lösung. Sie vergäre und dichte alles so ab, dass keine Luft an die Silage käme und nichts verschimme­le. „Warum macht das bei uns denn keiner?“, fragt sich Neher ganz aufgeregt und würde das am liebsten gleich selbst austesten. „Aber ich bin für dieses Jahr mit der Silage schon fertig“, sagt er. Aber im kommenden Jahr könne er sich ein Experiment durchaus vorstellen.

Der Abschied fällt herzlich aus und ist mit der Einladung der kroatische­n Bauernfami­lie nach Granheim verbunden. Spahić schlägt die Hände über dem Kopf zusammen. Den Hof allein lassen? Das würde ihm sogar schwer fallen, wenn seine Frau daheim blieb. Neher nickt verständni­svoll. Ihm ist das schließlic­h auch nicht leicht gefallen.

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