Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Der Videobeweis in der Bundesliga – eine echte Bereicherung?
Man stelle sich vor, Schiedsrichter Benjamin Cortus hätte am 33. oder 34. Spieltag, und nicht vergangene Woche, kurz vor Ende der Partie zwischen den beiden Abstiegskandidaten VfB Stuttgart und dem 1. FC Köln beim Stand von 1:1 nach einer eindeutig uneindeutigen Situation auf Elfmeter für Köln entschieden. Und nun stelle man sich vor, Köln hätte diesen Elfmeter verwandelt und der VfB wäre abgestiegen.
Der Videobeweis soll den Fußball nicht gerechter machen. Das kann er gar nicht, im Fußball geht es nicht um Gerechtigkeit. Er soll auch nicht Diskussionen beenden. Der Videobeweis soll die Schiedsrichter vielmehr vor folgenschweren Fehlentscheidungen bewahren, sie ein Stück weit auch schützen. Und das tut er. Geradezu absurd mutet der Vorwurf an, der Videobeweis untergrabe die Autorität des Schiedsrichters. Das Gegenteil ist der Fall. Die Möglichkeit, sich die strittige Szene noch einmal anschauen zu können, bringt Schiedsrichter in eine viel zu selten vorkommende Situation: Sie können kurz innehalten, ihre Entscheidung überdenken und dank optischer Hilfe neu bewerten. Indem Benjamin Cortus seine ursprüngliche Entscheidung zurücknahm und richtigerweise im Zweifel für den Angeklagten entschied, hat er Größe bewiesen.
f.cataldo@schwaebische.de
Nun haben wir ihn also auch in der Bundesliga, den Videobeweis. Krasse Fehlentscheidungen von Schiedsrichtern sollen so vermieden werden. Schließt man sich diesem Wunsch an, ist wenig dagegen einzuwenden. Wer die Entmenschlichung des Sports vorantreiben will – bitteschön! Doch was, wenn nicht Fehler sind das Schöne am Fußball? Otto Rehhagel sagte einmal: „Ohne Fehler fallen keine Tore.“Stimmt. Dazu zählen halt auch Schiedsrichter-Fehler.
Dass dies trotz des Videobeweises so bleibt, hat jeder Fußballfreund in dieser Saison oft genug gesehen. Schließlich schaut sich in Köln vor dem Fernseher auch nur ein Mensch die Aufzeichnung an. Und der ist auch nicht vor Fehlern gefeit. Felix Brych, Fifa-Referee und einer der besten Schiedsrichter Europas, kann ein Liedchen davon singen: Er hat einst in Hoffenheim das Phantomtor gegeben und nun in der Causa BVB gegen Köln vor dem Fernseher voll daneben gelegen. In der Masse wird der Videobeweis zu korrekten Entscheidungen führen, aber das Gefasel von der Gerechtigkeit sollten alle einstellen. Auch dass es um sehr viel Geld gehe, ist ein haarsträubendes Argument. Wenn dem Fußball mittelfristig etwas den Garaus machen kann, dann gewiss nicht die menschliche Fehlbarkeit, sondern die Macht des Geldes.
j.schlosser@schwaebische.de
Der Videobeweis hilft Schiedsrichtern und dem Fußball. Von Filippo Cataldo Die Entmenschlichung des Sports schreitet voran. Von Jochen Schlosser